Das Regierungsprogramm zur Bildung: pragmatisch, aber wenig ambitioniert

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Das Regierungsprogramm zur Bildung: pragmatisch, aber wenig ambitioniert

„Ein ernsthafter Blick auf das Bildungs-Regierungsprogramm zeigt: Es steckt den Rahmen für den Bildungsminister ab und ist eine programmatische Ansage an die Allgemeinheit und weniger an die, die ins Bildungssystem involviert sind. Im Rückblick: Die NMS hat sich nicht als taugliches Heilmittel erwiesen.“

Fach-Artikel bzw. Gastkommentar von Mag. Manfred Meraner, Geschäftsführung des größten Schulbuch-Verlags Österreichs VERITAS und Initiator/Betreiber der unabhängigen Initiative „STARKE SCHULEN“

Eine Beurteilung eines Regierungsprogrammes, ohne vorher das zugehörige Budget gesehen zu haben, hat wenig Sinn. Daher erlaube ich mir auch erst heute, einen ernsthafteren Blick darauf zu werfen. Das Programm steckt den Rahmen für den Bildungsminister ab und ist eine programmatische Ansage an die Allgemeinheit und weniger an die, die ins Bildungssystem involviert sind.

Bildungspolitik als langfristiges Konzept versus Reißleine
Bildungspolitik wirkt langfristig und ein permanentes Hin und Her würde nur Stillstand und Chaos schaffen. Daher finde ich es gut, dass der neue Bildungsminister das von seiner Vorgängerin aufgesetzte Reform- und Digitalisierungsprogramm weiterführt. Umgekehrt ist es aber auch schlüssig, Maßnahmen, die sich nicht bewähren, zurückzunehmen. So erscheint es z.B. nachvollziehbar, die Reißleine bei der NOST zu ziehen, und zwar um eine bessere Vorbereitung zu ermöglichen und pädagogische Fragen hinreichend zu klären. Denn dass das Konzept der NOST ungelöste Fragen aufwirft, gerade wenn die Leistungen der SchülerInnen weit auseinanderklaffen, liegt auf der Hand. Es würde sich anbieten, klare Ziele vorzugeben und die Entscheidung über die konkrete Umsetzung – im Sinne der Schulautonomie – dem Schulstandort zu überlassen.

Thema Deutsch für MigrantInnen
Zwar betont die Theorie sehr eindeutig die Wichtigkeit von hoher Kompetenz in der Erstsprache, andererseits zeigt die Praxis an den Schulen aber, dass ohne eine gewisse Grundkompetenz in Deutsch ein Fachunterricht nicht möglich ist. Daher kann ich den eingeschlagenen Weg gut nachvollziehen, wenn das erklärte Ziel ist, die Deutschkenntnisse schnell auf einen ausreichend hohen Level zu bringen. Kanada wird dafür oft als Vorbild zitiert – allerdings mit einem wesentlichen Zusatzelement, nämlich einem Coaching der Eltern durch Personen aus der jeweiligen Community. Dieser Ansatz wird z.B. auch in Graz verfolgt. Da hätte der Minister noch Chancen, die richtigen Schrauben zu drehen, die nicht allzu viel Geld kosten, und die pädagogischen Fragen den Schulstandorten zu überlassen.

Die NMS – provokant gesagt de facto eher eine Hauptschule mit geändertem Namensschild und etwas mehr Personaleinsatz – hat sich nicht als taugliches Heilmittel erwiesen: Die Frage der Integration von MigrantInnen und aufgrund der Herkunftsfamilie benachteiligten Kindern ist seit mittlerweile fast 30 Jahren nicht befriedigend gelöst.

Begabtenförderung
Mehr Geld für Gymnasien wird das Problem der Integration erst recht nicht lösen, aber hoffentlich an den Gymnasien für eine bessere IT-Grundausbildung sorgen. Hinsichtlich besserer wirtschaftlicher Grundausbildung erlaube ich mir, gespannt zu sein. Das wird ohne intensive Fortbildung und Streichungen in anderen Bereichen nicht gehen. Sonst ist es ein weiterer Puzzlestein in Richtung Überforderung der Schule. Dass uns die verpflichtende Ziffernnote ab der 1. Klasse Volksschule pädagogisch nicht weiterbringt, ist den Profis klar, aber dank der Autonomie kann man sich am Schulstandort um pädagogisch sinnvollen Umgang damit bemühen.

Die Ambition in Richtung Talenteförderung ist natürlich zu begrüßen. Aber auch hier fehlt der Mut und vermutlich das Geld, das Thema etwas breiter zu sehen und jedem seine Talente zuzugestehen.

Effiziente Schulleitung und Schulautonomie
Eine wesentliche Schraube im Bildungsprogramm – die nicht einmal teuer sein muss –vermisse ich, nämlich eine effiziente Schulleitung, substantiell entlastet von Verwaltung, mit hoher Verantwortung für den Schulstandort.
Mut in Richtung mehr Schulautonomie würde aber auch bedeuten, dass noch mehr Gewicht auf den Output gelegt wird. Eigentlich können nur die „Abnehmer“ des Bildungssystems die Leistung der Schule beurteilen, also Unternehmen, Fachhochschulen und Unis, aber auch die Schülerinnen und Schüler – allerdings meist erst später. Wenn LehrerInnen frühere SchülerInnen treffen und von diesen hören: „Bei Ihnen habe ich etwas gelernt“, dann war wohl viel Richtiges dabei.

Zusammenarbeit der Schulerhalter neu regeln
Ein wirklicher Durchbruch kann auch im Bereich der Bildung nur funktionieren, wenn die Zusammenarbeit der Schulerhalter auf Basis der Verfassung neu geregelt wird. Ganz dringend wäre das bei der Elementarpädagogik, aber auch bei den Schulen. Hier wäre die nötige Effizienzsteigerung und vor allem Beschleunigung zu holen. Das liegt aber nicht in der Hand des Bildungsministers, sondern, da dazu eine Zweidrittelmehrheit notwendig wäre, in der Hand des Parlaments. Aber auch wenn das nicht geschieht, reicht das Budget für das bestehende Mittelmaß mit viele positiven Leuchttürmen an Schulstandorten und Schulklassen aus. Einen Beweis liefern zum Beispiel die Preisträger des „Starke Schulen Awards“ (http://award.starkeschulen.at/projekte/ ). Der Bildungserfolg findet nämlich bei jeder einzelnen Schülerin und jedem einzelnen Schüler statt, da sollte sich die Politik nicht überschätzen. Eine Frage bleibt gänzlich ungelöst, nämlich wie man mehr Produktivität ins Schulsystem bringt? Das ginge nur mit einem Führungssystem, das up to date ist. Bisher wird das Bildungsbudget letztlich von steigenden Personalkosten getrieben, die aber nicht automatisch mehr Leistung im System bringen.

Mag. Meraner Manfred
Geschäftsführung VERITAS

* Telefon: +43 732 776451
* E-Mail-Adresse: m.meraner@veritas.at
* http://www.starkeschulen.at/
* http://www.veritas.at/

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