Joe Bidens Wirtschaftsprogramm: „Der große WUMMS“

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Joe Bidens Wirtschaftsprogramm: „Der große WUMMS“

Wer als Innovator und Exporteur erfolgreich sein will, der sollte auch die Weltwirtschaft und die aktuelle Situation der USA verstehen. Wer Unternehmen führen und für diese auftreten will, der sollte sich daher auch Zeit nehmen für ihn relevante Artikel zu lesen. Wir von Lobby der Mitte versuchen laufend für den Mittelstand relevante Berichte und kluge Kommentare in unseren Blog zu stellen. Berichte wie diesen von trend Wirtschaftsmagazin, hervorragend recherchiert und geschrieben von Martina Bachler. Danke und Gratulation an Magazin und Autorin.

Der große Wumms: Die Analyse des Wirtschaftsprogramms von Joe Biden

JOE BIDEN wurde am 20. Jänner als Präsident der USA angelobt. Sein Wirtschaftsprogramm ist den Linken in seiner Partei zu wenig links und der Mitte zu expansiv. In der Krise dürfte beides keine Rolle spielen.

Donald Trump hinterlässt ein tief gespaltenes Land. Joe Biden soll die USA nun einen. Die Schlüsselrolle dabei spielt sein Wirtschaftsprogramm für die Mittelschicht. Die trend-Analyse zum Amtsantritt des 46. US-Präsidenten.

Die Party ist ausgefallen, und das war das Einzige sein, was bei der Angelobung des 46. Präsidenten der USA am 20. Jänner anders war als sonst: Joe Biden ist sein Amt als klarer Sieger der Wahl, aber als Oberhaupt eines gespaltenen Landes angetreten. Die Welt konnte am 6. Jänner live sehen, wie tief das Misstrauen radikalisierter Anhänger von Donald Trump gegenüber dem Staat, seinen Institutionen und den Medien sitzt. Sie sah einen US-Präsidenten, der nichts tat, um den Mob beim Sturm auf das Kapitol aufzuhalten, und erst dazu anhielt, das Wahlergebnis zu akzeptieren, als vier Menschen bereits verstorben waren.

Die Demokraten hatten zuvor auch noch die De-facto-Mehrheit im Senat gewonnen. Für Joe Biden wird es nun also einfacher, zumindest einen Teil seines Programms ohne die Stimmen der Republikaner tatsächlich umzusetzen. Aber es wird nicht einfacher, jenen Teil der Bevölkerung zu erreichen, der ihn nicht gewählt hat. In seiner Rede am vergangenen Freitag stellte Biden daher in den Mittelpunkt, dass er schnell für spürbare Verbesserung sorgen wolle: „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird alles nur schlimmer und wir kommen noch später aus diesem Loch heraus“, sagte Biden, „wir investieren jetzt, weil es dringend, dringend nötig ist.“ Der Kongress hatte noch im Dezember ein Paket über 900 Milliarden US-Dollar verabschiedet, insgesamt haben die USA bisher rund vier Billionen Dollar in die Krisenbekämpfung gesteckt.

Nun kündigte Biden weitere Billionen von Dollar an, die noch 2021 in Hilfszahlungen, aber auch in Investitionen, das Gesundheitssystem und die Schaffung von Arbeitsplätzen fließen sollen. 2020 lag das Budgetdefizit laut Prognosen bei rund 15 Prozent. 2021 wird es wohl weiterhin tief im Minus liegen.

Aber wie sieht das Wirtschaftsprogramm des Demokraten aus, der als Pragmatiker der Mitte gilt? Kommt die totale Kehrtwende nach den wirtschaftsfreundlichen Jahren unter Trump? Schwenkt Biden sogar auf eine kooperative Handelspolitik um, die China einbezieht? Und steckt in den Plänen eigentlich das drin, was dieses gespaltene Land, das wie wenige andere von großer Ungleichheit geprägt ist, wieder mehr zusammenführen kann?

ROBUSTE WIRTSCHAFT.

Trotz der Verunsicherung der vergangenen Tage lässt es sich nicht leugnen: Die US-Wirtschaft ist bisher verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen (siehe Grafik unten). Der durch die Pandemie bedingte Ausfall war im Vergleich zu Europa und zu vielen Staaten gering. Die Industrie zeigte sich nach Einbrüchen im Frühjahr zu Jahresende erstarkt, die Tech-Konzerne und der Onlinehandel florierten sowieso. Dieses Bild spiegelte sich auch in der Entwicklung an den Börsen wider.

Heftig betroffen waren und sind hingegen jene Branchen, die das erfordern, was die Pandemie uns verbietet: direkten Kontakt mit anderen Menschen. Restaurants, Bars und viele Dienstleistungen liegen danieder. Hier verfestigte sich zuletzt auch die Arbeitslosigkeit, die wiederum nicht alle Amerikaner gleich stark betrifft, sondern vor allem dort zuschlägt, wo die Einkommen gering sind und oft auch die Krankenversicherung fehlt.

Joe Biden verspricht, die von der Pandemie unmittelbar betroffenen Menschen einmal mehr über Direktzahlungen von 2.000 Dollar zu unterstützen. Er will das Arbeitslosengeld länger auszahlen, Städte, Bundesstaaten und Schulen finanziell besser ausstatten und mit Millionen die Verteilung der Covid-Impfung in Schwung bringen. Ihrer logistischen Herausforderung sind auch die USA bisher nicht gewachsen. In New York etwa drohen Tausende Impfdosen von BioNTech/Pfizer abzulaufen, weil die Distribution nicht funktioniert.

In den USA werden Bidens Ankündigungen mehrheitlich positiv aufgenommen: Mit der dritten Corona-Welle sind im Dezember nicht nur die Ansteckungen und die Todeszahlen wieder gestiegen, sondern es hat sich zum ersten Mal seit April auch die Arbeitslosigkeit wieder verfestigt. Viele Ökonomen gehen aufgrund sich ändernder Gewohnheiten davon aus, dass nicht alle dieser Jobs zurückkommen werden. Wenn Biden davon spricht, er wolle den Fokus darauf legen, „gute Jobs“ zu schaffen, dann hat er diese Gruppe von Menschen genauso im Blick wie die vielen Tausenden Amerikaner, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zu den Verlierern der Globalisierung zählten – und für Donald Trump stimmten.

Die Bewältigung der Pandemie hat aktuell klar den Vorrang, an den Grundpfeilern von Joe Bidens Programm aber dürfte das nichts ändern: Es umfasst ein Maßnahmenpaket aus Investitionen in Infrastruktur, den Kampf gegen den Klimawandel, eine Reform der Steuerpolitik und die vorsichtige Rückkehr zur internationalen Kooperation. Bis 2050 sollen die USA klimaneutral sein. Die Ungleichheit soll sinken, das Gesundheitssystem soll sich verbessern und breiter zugängig sein, ohne dass sich die Amerikaner nun zwangsversichern. Und die Außenpolitik soll tatsächlich der Mittelschicht dienen.

„Auch Biden wird also an der Idee, die US-Wirtschaft in den Mittelpunkt zu stellen, festhalten“, sagt Galina Kolev, Ökonomin am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Er werde dabei allerdings auf andere Maßnahmen setzen als Donald Trump. Wenn Trump mit erhobener Faust „America first!“ brüllte, heißt es bei Biden nun etwas leiser „Buy American“. Das Ziel ist aber das gleiche: Aufträge sollen die Produktion in den USA halten und so Arbeitsplätze sichern. Während Trump auf Hardcore-Konfrontationskurs mit China ging, will Biden lieber international nach Verbündeten suchen und auch den Weg über die Welthandelsorganisation wieder freilegen.

Während Trump versuchte, die US-Wirtschaft über Zölle abzuschirmen, setzt Biden lieber auf steuerliche Anreize. Während Trump soziale Netze für Reichweite nutzte, könnte Biden ihre strengere Regulierung in den USA verlangen, aber keinen Millimeter von ihrer steuerlichen Verteidigung im Ausland abrücken. Und während Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ausstieg, macht Biden den Kampf gegen die Erderwärmung zum Kernstück seiner Infrastrukturpolitik.

JOHN KERRY war unter Barack Obama bereits Außenminister. Joe Biden hat ihn zum Sondergesandten für das Klima ernannt. Er wird dem Nationalen Sicherheitsrat angehören. Für Ende April plant Kerry bereits eine internationale Klimakonferenz.

„Wie jeder US-Präsident wird aber auch er international beinhart die Interessen amerikanischer Konzerne vertreten“, warnt Ex-Wifo-Chef Karl Aiginger, der heute die „Querdenkerplattform: Wien – Europa“ leitet. Die EU müsse sich als selbstständiger Akteur und größte Handelsmacht positionieren und definieren, welche Art der Globalisierung mit Wettbewerbsregeln, Digital- und CO2-Steuern sie wolle. Nur weil die USA zurück auf dem internationalen Tapet sind, kann die EU sich darum nicht herumschummeln, eine eigene Position zu haben.

Die Investitionen

Die USA unter Biden jedenfalls setzen auf gigantische Investitionen, wollen ihre Früchte aber besser verteilen. „Build Back Better“ lautet dafür der politische Aufruf. Speziell die Mittelschicht hat von den großen Zuwächsen der US-Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten schließlich weit weniger profitieren können als die Topverdiener.

Die höchste Priorität haben nun Infrastruktur, erneuerbare Energien und Bildung. Rund 1,3 Billionen Dollar sollen in den kommenden zehn Jahren die US-Wirtschaft stärken. Rund 300 Milliarden Dollar sind in den nächsten vier Jahren für Forschung und Entwicklung reserviert, rund 400 Milliarden Dollar für Infrastruktur für erneuerbare Energie. Hier sollen zehn Millionen neue Jobs entstehen. Sie sind als vorbeugende Maßnahme gegen die Automatisierung gedacht, die auch in den USA Menschen ersetzen wird.

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der 2030 für alle Städte mit über 100.000 Bewohnern selbstverständlich sein soll, steht genauso auf dem Plan wie der Zugang zu schnellem Breitbandinternet bis ins kleinste Dorf. Schnell sollen zudem Schulen modernisiert werden: Wie in anderen Staaten hat auch in den USA die Covid-Krise aufgezeigt, wie dramatisch schlecht Schulen teilweise ausgestattet sind. Der Unterschied zwischen dem teuren privaten Schul- und Universitätssystem und dem staatlichen ist einer der Faktoren, die zur Ungleichheit in den USA beitragen.

Die Ungleichheit

Ein anderer ist der Fokus von Investitionen auf die urbanen Küstenregionen, die in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen sind. Bidens Infrastrukturprogramm enthält deshalb Elemente, die speziell ländliche Gegenden stützen sollen. Innovationsprogramme und Firmenansiedlungen sollen hier spezielle Start- und Steuervorteile bekommen.

„Auch über den Erlass von Studienkrediten oder günstigere Kredite für Studierende will Biden die Ungleichheit adressieren“, sagt die deutsche Ökonomin Galina Kolev. Sie sei in der sonst gut aufgestellten Wirtschaft sicher ein Hauptproblem, weil sie die Polarisierung verschärft und sich das mittelfristig auf die Attraktivität des Standorts auswirken könne: „Die große Konzentration des Kapitals bremst die Kaufkraft der Mittelschicht,“ sagt Kolev.

Die Steuerreform

Ein Schlüssel, um all das zu finanzieren, ist die Steuerreform, die einige von Trumps Entscheidungen revidieren soll. Die große Entlastung hoher Einkommen ist dabei das eine: Wer über 400.000 Dollar verdient, soll in Zukunft statt 37 Prozent wieder den Höchststeuersatz von 39,6 Prozent zahlen. Auch soll diese Einkommensschicht mehr zur Sozialversicherung beitragen. Bei Kapitalerträgen über einer Million Dollar soll anders als bisher ebenfalls der Einkommenssteuersatz gelten und die großen Freibeträge, die Trump bei Erbschaften eingeräumt hatte, sollen bald auch wieder der Geschichte angehören.

Gleichzeitig will Biden auch die Unternehmenssteuern wieder anheben: Trump hatte die Körperschaftssteuern in den USA von 35 auf 21 Prozent gesenkt (wobei die einzelnen Bundesstaaten hier jeweils noch Steuern draufsetzen können), Biden will sie nun wieder auf 28 Prozent erhöhen. „Das nimmt erheblichen Druck aus dem internationalen Steuerwettbewerb, denn die Steuersätze in der EU liegen hier niedriger“, sagt Dominik Bernhofer, Steuerexperte der Arbeiterkammer.

Zudem will Biden eine Mindeststeuer von 15 Prozent für Unternehmen, die mehr als 100 Millionen Gewinn machen, und für Gewinne im Ausland sollen die Unternehmen zukünftig 21 statt 10,5 Prozent an Steuern in den USA abliefern. „Gerade jetzt, wo auf OECD-Ebene über einen Mindeststeuersatz für Konzerne verhandelt wird, ist das ein deutliches Signal der USA, auch auf globaler Ebene effektive Lösungen zu finden“, sagt Dominik Bernhofer.

JEFF BEZOS wurde von Elon Musk gerade als reichster Mann der Welt abgelöst. Experten rechnen damit, dass Tech-Konzerne wie Amazon stärker reguliert werden.

Neu ist zudem Bidens Idee einer Strafsteuer für US-Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlegen, um dann ihre Produkte in die USA zu liefern. Ob das Unternehmen jedoch wirklich davon abhält, dort zu produzieren, wo viele ihrer Kunden sind, wird von einigen Ökonomen bezweifelt. Dennoch ist diese Steuer ein Bauteil von vielen, um Firmen Anreize zu geben, in den USA zu investieren und zu produzieren.

Trumps Zölle haben bisher zumindest nicht dazu beigetragen, dass die USA mehr exportieren als importieren. „Eine Einzelmaßnahme verändert das Grundgefüge nicht“, sagt die Ökonomin Kolev. China ist trotzdem auf dem Weg, zur größten Wirtschaftsmacht zu werden. Die USA wollen aber auch unter Biden dagegenhalten – mit einem großen Wumms.

Der Artikel ist der trend.PREMIUM Ausgabe 1-3/2021 vom 15. Jänner 2020 entnommen.

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