Hinsetzen: Nicht Genügend!

hinsetzen-nicht-genuegend

Hinsetzen: Nicht Genügend!

Gastkommentar von Hans Harrer, Vorstand des Senat der Wirtschaft/Österreich mit seiner Meinung darüber, welche Noten den Spitzenpolitikern zu geben sind

Wie ist es möglich, dass Personen, die die höchsten Ämter im Staat besetzen, nicht in der Lage sind sinnvolle Ideen für die Zukunft einzubringen, die Mut machen?

Da hören wir vom neuen Bundeskanzler, dass er „Die Signale verstanden hat, ein neues Miteinander anstrebt etc. etc.“. Und wenige Tage nach dieser erfreulichen Wortwahl, erklärte er, dass Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohnerhöhung und die Maschinensteuer auf seiner Agenda stehen, wohl wissend, dass die Wirtschaft und der Koalitionspartner zu Schlagworten des vorigen Jahrtausends nur Nein sagen können.

New Deal sieht anders aus. Auf der Strecke bleibt die Österreichische Wirtschaft, vor allem der Mittelstand, der unter den extrem hohen Steuern und der Bürokratie immer stärker unter Druck kommt. Digitalisierung, neue Anforderungen in der Bildung, die Startup-Szene etc. das alles bedarf eines völlig neuen Denkens, vor allem eines neu gestalteten Steuersystems, um diese Herausforderungen bewältigen zu können. Ohne Klientel-Denken muss überlegt werden, wie der Umbau unseres gesamten Steuersystems mittel- bis langfristig aussehen könnte. Da darf kein Stein auf dem anderen bleiben. Das Signal unter den Koalitionspartnern müsste lauten: Wie schaffen wir die Herausforderungen der Zukunft ohne die Wirtschaft und unser Sozialsystem abzuwürgen? Wo sind Effizienz- und Einsparpotenziale, wo soll das frei werdende Kapital investiert werden? Da sollten die Interessenvertretungen vorerst außen vor bleiben. Die sollen dann, im Interesse ihrer Klientel, eine Meinung dazu abgeben. Politiker sollten aber auch, wenn es im Sinne der Zukunft des Landes ist, den Mut haben, einmal ohne Konsens mit den Sozialpartnern etwas zu beschließen.

Wer beschenkt da wen?
Wir diskutieren über eine Bildungsreform, seit gefühlten 30 Jahren, ohne wesentliches Ergebnis. Zuerst müsste man erarbeiten, was an Bildung in Zukunft vermittelt werden soll, dann das wie und welche Ausbildung die Lehrer dafür erhalten sollen, bzw. welche psychologischen Qualifikationen sie überhaupt mitbringen müssen, um zum Studium zugelassen zu werden. Außerdem wäre zu ermitteln, welche Schulbauten dafür nötig wären, etc. Die Politik streitet darüber, ob Lehrer 2 Stunden länger in der Schule verweilen sollen. Sieht so eine Reform aus? Nein!
Die kalte Progression soll nun abgeschafft werden – es wäre ein Segen. Nein sagt die Gewerkschaft, so geht das nicht. Denn sie wollen schon jährlich mitbestimmen können, das Wann und Wie, um ihrem Klientel weismachen zu können, „wir“ beschenken Euch. Damit muss endlich Schluss sein. Keine Partei oder Interessenvertretung kann jemanden beschenken, denn es ist hart erarbeitetes Steuergeld der Leistungsträger in diesem Land: Des Mittelstandes und dessen MitarbeiterInnen. Daher gehört es rasch automatisiert.

Der Kommissionspräsident der EU hatte nichts Besseres zu tun, als im Rahmen der Brexit Diskussion zu erklären, dass CETA ohne die nationalen Parlamente mit der Frage zu befassen, zu beschließen sei. In einer Zeit, in der gerade darüber diskutiert wird, wie die EU mehr Bürgernähe zeigen kann ist so eine Ansage mehr als kontraproduktiv und der darauffolgende Rückzieher war ein Bekenntnis der Unfähigkeit. Mittelstands-Interessen werden bei den möglichen Handelsabkommen ignoriert, denn Konzerne bestimmen die Vorgehensweise. Selbst die WKO findet das alles gut und ist dabei kein Mittelstands-Lobbyist, wohl deshalb, weil die Konzerne die größten Kammerumlagen berappen.

Wacht endlich auf!
Diese Liste ließe sich leicht fortsetzen. Der Frust der mittelständischen Wirtschaft wird immer größer. Dass sie die meisten Arbeitsplätze schafft, wollen unsere Politiker gerne übersehen. Denn die hohe Arbeitslosenquote ist den schlechten Wirtschafts- und steuerlichen Rahmenbedingungen, der überbordenden Bürokratie und überzogenen Sozialprogrammen zu verdanken.
„Wacht endlich auf“ möchte man rufen, bevor der Mittelstand sich – ohne Nachfolger – in den wohlverdienten Ruhestand begibt, bzw. mittels Konkurs aus dem Wirtschaftsleben scheiden muss. Nur welche Kuh soll dann gemolken werden? Alle Hinsetzen: Nicht Genügend!

Hans Harrer ist Vorstand des Senats der Wirtschaft Österreich, sowie im Global Economic Network; er ist Unternehmer und Projektentwickler. Der Senat der Wirtschaft ist ein ökosozialer Think-Tank mit über 600 Mitgliedern, die rd. 255.000 MitarbeiterInnen repräsentieren.