Lunacek-Interview Lusak

Interview & Gespräch von Wolfgang Lusak mit Die Grünen Österreich-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek über den Mittelstand (Juni 2017)

Seitens Lusak wurde vor dem Interview folgende Definition des Begriffs Mittelstand angegeben:
Der Mittelstand wird einerseits gebildet aus den Eignern/Unternehmern der KMU & Selbständigen, das sind ca. 0,7 Mio Menschen, rechnet man ihre Mitarbeiter dazu umfasst er gut 2 Mio Menschen. Andererseits ist der Mittelstand auch als Wertegemeinschaft anzusehen: 32% der Bevölkerung zählen sich zu einem Mittelstand der Werte Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit/ Verantwortung und fairer Wettbewerb

INTERVIEW:

Lusak: Welche Bedeutung, welchen Stellenwert hat in Ihrer Partei der Mittelstand?
Lunacek: Vor dem Hintergrund, dass rund 99,7 Prozent aller österreichischen Unternehmer KMUs sind und diese fast zwei Millionen ArbeitnehmerInnen beschäftigen, ist klar, dass der Mittelstand für uns einen zentralen Platz einnimmt. Stärker als in vielen anderen europäischen Ländern ist der Mittelstand das Rückgrat unserer Wirtschaft und Basis unseres Wohlstandes. Darüber hinaus sind es gerade die KMUs, die in Krisenzeiten Verantwortung für Ihre MitarbeiterInnen übernommen und Arbeitsplätze gesichert haben. Und was nicht zu vergessen ist: Gerade in Österreich sind es vor allem die mittelständischen Unternehmen, die neue Wege beschreiten und innovativ sind. Dieser enorme Wert ist uns bewusst und dies gilt es zu bewahren.

Lusak: Welche Person oder Einheit ist in Ihrer Partei ausdrücklich für Mittelstand zuständig?
Lunacek: Im Parlamentsklub sind dafür federführend die Grüne Wirtschaftssprecherin Ruperta Lichtenecker sowie Matthias Köchl, unser Sprecher für EPU, zuständig. Weitere Abgeordnete die in Teilbereichen zuständig sind, sind die Grüne ArbeitnehmerInnensprecherin Birgit Schatz sowie die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner. Daneben ist die Grüne Wirtschaft, in der zahlreiche Mittelständler engagiert sind, die zentrale Anlaufstelle. Und natürlich gibt es in den Teilorganisationen in Ländern und Gemeinden weitere zuständige BereichssprecherInnen, deren Aufzählung hier aber wohl den Rahmen sprengen würde.

Lusak: Wie viele Prozent ihrer NR-Abgeordneten arbeiten (als Chefs oder Mitarbeiter) in einem KMU bzw. haben dort mehr als 3 Jahre gearbeitet?
Lunacek: Etwa 20 Prozent.

Lusak: Wodurch können Sie bisher den Wählern nachweisen, dass sich Ihre Partei für den Mittelstand einsetzt?
Lunacek: Wir fordern laufend Maßnahmen für den Mittelstand und starten Initiativen – die entsprechenden Anträge und Anfragen können auf der Homepage des Parlaments auch abgefragt werden. Ein paar zentrale Beispiele: Wir fordern wir seit Langem eine Reduktion der Lohnnebenkosten v.a. für KMUs, finanziert durch eine ökosoziale Steuerreform. Ein wichtiges Anliegen ist uns auch die Verbesserung der sozialen Absicherung von Selbstständigen: so fordern wir die Abschaffung des Selbstbehaltes bei der SVA sowie Krankengeld ab dem 4. Tag, nicht erst ab dem 43. Auch die freiwillige Arbeitslosenversicherung muss dringend reformiert und attraktiver gemacht werden, um Selbstständigen einen hinreichenden Schutz zu fairen Konditionen zu gewähren. Wir brauchen generell ein innovations- und investitionsfreundlicheres Umfeld: Mit dem Alternativfinanzierungsgesetz wurde endlich die Grüne Forderung nach der gesetzlichen Verankerung von Crowdfunding-Modellen umgesetzt, wenn auch mangelhaft. Um die Finanzierungsschwierigkeiten von Startups und KMUs zu mindern, braucht es Verhandlungen mit den Banken und gegebenenfalls auch staatliche Finanzierungshilfen. Im Bereich der Forschungsförderung haben wir heute die Situation, dass davon verstärkt Großunternehmen profitieren: Hier wären aus unsere Sicht die Mittel besser eingesetzt, wenn die Programme wie in anderen Ländern Europas besser auf die Bedürfnisse der KMUs zugeschnitten wären. Auch im Bereich der Wirtschaftsförderung muss der Bürokratieaufwand reduziert werden, damit KMUs verstärkt profitieren können. Und generell müssen die seitens der Regierung teils seit Jahrzehnten angekündigten Reformen endlich umgesetzt werden: Der Vorschriften-Dschungel muss endlich von unnützen und aufwendigen Regularien befreit werden. Dass die Realität leider eine ganz andere ist, sieht man sehr plakativ wieder bei der angekündigten Gewerbeordnung, wo die Regierungsparteien sich nach monatelangem zähen Ringen bisher nicht einmal auf ein Reförmchen einigen konnten. Und letztlich geht es auch um die Zukunft des Mittelstandes: hier ist vor allem auch das Thema Bildung hervorzuheben. Eine gut ausgebildete Jugend, ausgestattet mit dem Rüstzeug für die Wirtschafts- und Arbeitswelt der Zukunft, wird die Basis für den Mittelstand der Zukunft sein.

Lusak: Wie ist es zu erklären, dass die Österreicher den Mittelstand zwar einerseits als klare Nummer 1 in Bezug auf Wirtschafts-Rückgrat und Krisenretter betrachten aber andererseits als ständig an Einfluss und Durchsetzungskraft (vor allem ggü. Konzernen, Globalbanken und Regierung) verlierende Unternehmen sehen? (Lusak/LdM-Gallup-Umfrage 2008 – 2016 in 7 Wellen)
Lunacek: Fakt ist, dass Großkonzerne und Finanzdienstleister oft eine wesentlich stärkere Lobby haben als der Mittelstand. Das scheint – wie die genannten Umfrageergebnisse nahelegen – auch in der Bevölkerung so wahrgenommen zu werden. Ein weiterer Faktor dürfte die Transformation des Mittelstandes sein: Heute gibt es viel mehr Einzelkämpfer als früher. Auch das wirtschaftliche Umfeld ist für Selbstständige viel schwieriger geworden. Früher verband man mit Unternehmern Wohlstand und damit mittelbar auch Einfluss – heute kämpfen vor allem viele kleine Unternehmer permanent ums wirtschaftliche Überleben, nicht wenige leben in einem wirtschaftlichen Prekariat. Diese Veränderungen spiegeln sich natürlich auch in der öffentlichen Wahrnehmung wider.

Lusak: Wenn nachweislich 63% der Österreicher den Mittelstand für sehr wichtig halten, wenn sich 32% der Österreicher zur Wertegemeinschaft Mittelstand zählen, wenn 18% der Bevölkerung keine der bestehenden Parteien als Mittelstandspartei sieht: Was tun die GRÜNEN, damit sie diese so bedeutsame Zielgruppe richtig ansprechen? (Lusak/LdM-Gallup-Umfrage 2008 – 2016 in 7 Wellen)
Lunacek: Hier geht es aus unserer Sicht nicht um eine besondere Form des Ansprechens sondern vielmehr darum, welche Inhalte und Programme wir den Betroffenen anbieten können (siehe ausschnittsweise oben). Wir glauben daran, dass das die besten Ideen für den Mittelstand in Österreich sind und natürlich hoffen wir, dass sich durch diese möglichst viele Menschen angesprochen fühlen. Zusammengefasst: es geht um Inhalte, nicht um schöne Worte.

Lusak: Nennen Sie bitte 3 Punkte, die sie konkret vorhaben, um die Situation des Mittelstandes zu verbessern
Lunacek: 1. Entlastung bei Lohnnebenkosten und Sozialabgaben. 2. Mehr Förderung für Forschung und Innovation. 3. Entrümpelung von unnötigem Verwaltungsaufwand
P.S.: In einer Woche folgt das Interview mit Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern, danach das mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz . Alle Interviews werden in Ausschnitten und Kommentaren auch im a3ECO-Unternehmermagazin (in 2 Folgen) gebracht.

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