Wir dürfen auch weinen

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Neuer Lusak-Kommentar, der sich damit beschäftigt, dass Durchhalte-Parolen und Aufmunterungen ohne Visionen für die Zukunft „ganz sicher nicht“ genügen werden

Wir dürfen auch weinen

Warum wir jetzt nicht auf leeren Optimismus setzen dürfen, sondern auch bewusst der Angst und dem Schmerz ihren Raum lassen sollten

„Wir schaffen das“, „Das kriegen wir hin“, „Da haben wir schon ganz andere Dinge überstanden“ – solche und ähnliche Zurufe erreichen uns von Politikern, Journalisten, Prominenten, Freunden und auch ganz „normalen“ Personen. Und sicher ist es diesen auch zu danken, weil sie damit unsere Zuversicht stärken. Es ist ihnen aber nicht zu danken, wenn sie dadurch bloß zum Status Quo, zum Erhalt der Welt wie sie vorher war zurück kehren wollen. Weil das nicht möglich sein wird.

Ich glaube, dass wir eine Balance zwischen positivem Durchhaltewillen und dem Annehmen des Leids und der Schmerzen der Corona-Pandemie benötigen – trotz eines immer mehr wahrnehmbaren Lichts am Ende des Tunnels. Wir dürfen die entsetzlichen Situationen in manchen Regionen und Spitälern mit ihren dem Sterben Ausgelieferten, die deprimierende Einsamkeit der alleine und abgeschnitten Lebenden, die Existenzangst der Arbeitslosen und der Unternehmern/innen, die nicht mehr wissen, wie sie den Konkurs abwenden können NICHT verdrängen.

Denn Verdrängung führt dazu, dass das nicht aufgearbeitet wird, was wir – unbewusst – nicht wahr haben wollen, nämlich dass wir als Gesellschaft Mitverantwortung an der Pandemie haben. Dass wir nichts aus der Krise lernen und genauso weiter machen wie bisher. Dass wir über kurz oder lang – wenn man an den Klimawandel denkt eher über kurz – noch elementareren Problemen gegenüberstehen werden.

Eine Pandemie ist ein Alarmsignal der Weltseele an das Gesellschaft- und Wirtschaftssystem der Menschheit
Aus der von Freud begründeten Psychoanalyse wissen wir, dass ins Unterbewusstsein verdrängte schmerzhafte Erlebnisse und extreme Belastungen letztlich doch wieder und dann vielfach verstärkt aufbrechen und uns zu zerstören drohen. Krankheit des Körpers ist ein Alarmsignal der individuellen Seele mit der Aufforderung in seinem Leben etwas zu ändern. Eine Pandemie ist ein Alarmsignal der Weltseele an das Gesellschaft- und Wirtschaftssystem der Menschheit in ihrer Gesamt-Strategie etwas Grundlegendes zu ändern. Von unzähligen Völkern, die untergegangen sind, weil sie ihre Lebensweise nicht ändern konnten erzählt uns die Geschichte. Jetzt – in der globalisierten Welt – geht es um alle Völker und Menschen der Erde.

Wir dürfen daher auch berührt sein, sollten auch weinen, um unter Tränen unsere eigene Verantwortung zu erkennen und die Fähigkeit zu entwickeln die Konsequenzen zu ziehen. Bitte glauben Sie nicht den Meinungsbildnern und Führungskräften, die nur sagen „Wir schaffen das“ ohne dass sie darauf hinweisen, dass sich die gesamte Menschheit radikal wird ändern müssen, um zu überleben.

Und wenn wir das schaffen, uns radikal zu ändern und unser Wirtschaftssystem neu und nachhaltig aufzustellen, dann dürfen wir getrost nochmals weinen: Tränen der Freude.

Wolfgang Lusak

 

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