Die gnadenlos richtige Analyse eines aufrechten Journalisten und um Wahrheit sowie Sinnhaftigkeit in der Politik bemühten Kolumnisten: Josef Urschitz von DIE PRESSE . Mit seinem Anschreiben gegen den Unwillen und die Unfähigkeit von Regierungen, gegen den Wahnsinn von Steuern statt staatlicher Einsparungen steht er immer auf der Seite der wehrlosen Steuerzahler, des unternehmerischen Mittelstands und der in Vollzeit arbeitenden Mittelschicht, die miteinander diesen Staat in seiner wesentlichen Substanz erhalten.
„So kann es wirklich nicht weitergehen!“
Josef Urschitz (Redakteur und Kolumnist Economist DIE PRESSE)
| Wären wir hier beim Sportticker, würde die Geschichte ungefähr so gehen: Im ÖVP-Derby um den C.-Stocker-Nachfolgecup treffen der FC Türkisblau und das Team Schwarzrot aufeinander. Kurz nach Anpfiff steht es 1:0 für Türkisblau durch ein Eigentor von H. Mahrer. Schwarzrot kann das Spiel zwar offenhalten. Am Spielfeldrand wärmt aber bereits der frühere Türkisblau-Goalgetter S. Kurz auf. Der brennt darauf, nach der langen Spielpause nach seinem groben Verstolperer vor vier Jahren wieder ins Spiel zu kommen. Das kann noch spannend werden! |
| Es zerbröselt jetzt die beiden größeren Regierungsparteien
Leider sind wir aber nicht im Sportticker, sondern in der Politik: Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise des letzten halben Jahrhunderts, in der wir eine entschlossene, tatkräftige und reformfreudige Regierung brauchten, zerbröselt es jetzt die beiden größeren Regierungsparteien. In der ÖVP hat das erste Schwächezeichen des Chefs – eine krankheitsbedingte Abwesenheit – intern sofort den üblichen Königsmörderreflex ausgelöst. Und das in einer Situation, in der parteiintern zwei der sechs Bünde schwer angeschlagen sind: Der Wirtschaftsbund nach dem Mahrer-K.-o. ein bisschen in den Seilen hängend und der ÖAAB mit einem durch eine Postenschacheraffäre angepatzten Chef. |
| Und in der SPÖ brodelt es angesichts des dramatischen historischen Tiefstands in den Umfragen und der eher unterirdischen Performance des Chefs auch recht ordentlich. Kanzler und Vizekanzler als „Lame Ducks“, denen ihre Parteien entgleiten – das haben wir im vierten Jahr der Rezession/Stagnation gerade noch gebraucht. |
| Im derzeit einzigen Bundesland mit FPÖ-Landeshauptmann hat sich das Defizit im ersten Jahr nahezu verdoppelt
Im Hintergrund knallen erwartungsfroh die Sektkorken bei der FPÖ, die man sich ja auch nicht gerade als Alternative wünschen muss: Die letzten beiden Regierungsbeteiligungen der Blauen waren in Sachen Korruption und Postenschacher nicht gerade ein Aushängeschild, vom Kärnten des Herrn Haider wollen wir lieber gar nicht reden, und im derzeit einzigen Bundesland mit FPÖ-Landeshauptmann hat sich das Defizit im ersten Kunasek-Jahr nahezu verdoppelt. Selbst wenn das beschlossene Sparprogramm mit zehn Prozent Einsparung im kommenden Jahr voll greift, wird die Neuverschuldung dort 2026 noch immer um ein paar Hundert Millionen über der des Jahres 2024 liegen. Also eine Empfehlung sieht irgendwie anders aus. |
| Das ist die Situation in einer Zeit, in der das BIP bestenfalls stagniert, die Arbeitslosigkeit steigt, die Staatsfinanzen völlig aus dem Ruder laufen und jetzt auch noch die Exporte geradezu dramatisch einbrechen. Da zieht wirtschaftspolitisch sozusagen eine klassisch griechische Tragödie herauf. Wobei die Griechen selbst diese ja offenbar seit dem unangenehmen Troika-Besuch hinter sich haben. |
| Eine der dringendsten Reformen
Dabei brauchten wir gerade in dieser Zeit eine schlagkräftige Regierung. Am besten eine mit Zweidrittelmehrheit, zusammengesetzt aus Leuten, die zumindest ein paar Jahre lang ausnahmsweise das Staatswohl vor das der Partei stellen. Und beispielsweise eine der dringendsten Reformen, nämlich jene des Föderalismus, auf den Weg bringen. |
| Wie dringend das ist, hat gerade wieder die vorwöchige Landeshauptleutekonferenz – realpolitisch das eigentliche Machtzentrum des Landes – bewiesen. Dort standen allen Ernstes Hubschrauberaußenlandungen und regionale Bahntickets prominent auf der Tagesordnung, während draußen in der realen Welt gerade die ebenso intransparente wie ungehemmte Schuldenmacherei der Länder dabei ist, den Maastricht-Budgetpfad zu kippen. |
| Erhöhungen von Landessteuern, Grundsteuer und Wohnbauförderungsbeitrag
Und was schlägt die amtierende Regierung in dieser Situation vor? Entmündigung der Länder? Strikten Sparzwang? Nein: Erhöhungen der Landessteuern, Grundsteuer und Wohnbauförderungsbeitrag, meint der amtierende Finanzminister, seien dafür heiße Kandidaten. Was man halt im Finanzministerium des Herrn Marterbauer unter „Sparprogramm“ versteht. |
| Ein besonders perfides Beispiel für eine zweckentfremdete versteckte Steuer |
| Wobei der Wohnbauförderungsbeitrag ein besonders perfides Beispiel für eine zweckentfremdete versteckte Steuer ist. Der war früher Teil eines sehr klugen und effizienten Wohnbauförderungssystems: Ein Prozent der Bruttolohnsumme (je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern) wird einbehalten und für die Wohnbaufinanzierung in Form von vergünstigten Wohnbaudarlehen verwendet. Die Rückflüsse aus diesen Darlehen gehen ebenfalls in den Fördertopf, sodass ein garantiert jährlich anwachsendes Förderungsvolumen zur Verfügung steht. Allerdings wurde die Zweckbindung 2008 abgeschafft. Seither wird der Wohnbauförderungsbeitrag zum Stopfen allgemeiner Länderbudgetlöcher zweckentfremdet. Mehrere Bundesländer haben auch die Wohnbaudarlehen zwecks Budgetbefüllung versilbert. Die solcherart zweckfremd geleerten Wohnbautöpfe werden seither mit einer zusätzlichen jährlichen Milliarde vom Bund befüllt. |
| Die meisten geplagten Steuerbürger bekommen davon nicht viel mit: Der Wohnbauförderungsbeitrag wird gemeinsam mit der Sozialversicherung eingehoben und vielfach auf dem Lohnzettel nicht extra ausgewiesen. Sehr praktisch, so eine verdeckte Steuer. |