Österreichischer Mittelstand angesichts BREXIT so cool wie der Deutsche?

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Österreichischer Mittelstand angesichts BREXIT so cool wie der Deutsche?

Das fragen wir uns von Lobby der Mitte, nachdem wir den großartigen Artikel „Cool Germania – Warum deutsche Firmen so gelassen sind“ von Michael Gassmann (Korrespondent Handel und Konsumgüter) in DIE ZEIT vom 3.2.2019 gelesen hatten. Denn Michael Gassmann erklärt aufgrund von Umfragen (Ernst&Young-Umfrage unter deutschen Mittelständlern im Jänner 2019 über deren Bewertung ihrer aktuellen Geschäftslage) und eigenen Interviews mit Experten der Außenwirtschaft und der Unternehmens- und Steuerberatung sehr verständlich, warum die deutschen KMU und Hidden Champions so unaufgeregt bezüglich dem BREXIT sind. Und warum das auch einen guten Grund hat. Gratulation an Michael Gassmann und an DIE ZEIT zum gelungenen Bericht. Wir geben den Artikel (Danke an Gassmann/DIE ZEIT!) hier 1:1 wieder und stellen nur am Ende einen kleinen Kommentar dazu. 

Cool Germania – Warum deutsche Firmen so gelassen sind“ von Michael Gassmann in DIE ZEIT am 3.2.19  (hier geht es zum Original-Artikel in DIE ZEIT)

Exportorientierte Mittelständler in Deutschland gehen mit dem Ausstieg der Briten aus der EU ziemlich gelassen um. Wie auch mit den übrigen Handelskrisen dieser Welt. Ist das naiv oder nur schlau?

Ein ungeregelter Brexit ist für große Teile der Wirtschaft eine Horrorvision mit zunehmendem Bedrohungspotenzial. „Die deutsche und insbesondere die britische Wirtschaft steuern auf ein gewaltiges Desaster zu“, warnte diese Woche nach der jüngsten Abstimmungsrunde im britischen Parlament etwa Holger Bingmann, Chef des deutschen Außenhandelsverband BGA.

Doch merkwürdig: Unter den heimlichen Weltmarktführern des exportintensiven Mittelstands bleibt Panik bisher aus. Die Stimmung in den Unternehmen ist eher von dem Wahlspruch „Ruhe bewahren und Pulver trocken halten“ geprägt, beobachten Experten.

„Die Mittelständler bereiten sich nicht konkret auf einen Brexit vor. Wie auch?“, sagt der Steuer- und Unternehmensberater Christian Rödl. Solange nicht absehbar sei, ob es überhaupt zum Brexit komme, ob es ein harter oder weicher Ausstieg der Briten aus der EU werde, lasse sich kaum sinnvoll dafür vorbauen.

Lediglich die Lagerbestände würden oft hochgefahren, um in einer Übergangsphase über Materialpuffer zu verfügen. Sobald die Fakten aber da seien, werde der Tatendurst erwachen: „Der typische deutsche Mittelständler überlegt sich natürlich: Was wäre, wenn? Sobald die Situation konkret ist, wird angepackt.“ Cool Germania.

Der Chef der Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner kann die Stimmungslage in den Unternehmen einschätzen. Die international arbeitende Wirtschaftskanzlei mit 111 Niederlassungen in 51 Ländern zählt vor allem mittelständisch geprägte deutsche Weltmarktführer und Familienunternehmen zu ihren Mandanten.

Umgang mit Gelassenheit
Generell zeichne die exportstarken Firmen ein enormer Pragmatismus angesichts von Brexit, drohenden Handelskriegen und America-First-Parolen aus, so Rödl im Gespräch mit WELT: „Es ist nicht so, dass der typische deutsche Mittelständler jetzt aus Angst vor Protektionismus erstarrt oder seine Unternehmensentwicklung nicht mehr vorantreibt.“ Gemessen an der Aufregung im politischen Bereich, herrsche Gelassenheit: „Protektionismus wird von den mittelständischen Unternehmen derzeit nicht als große Bedrohung gesehen. Es herrscht eher vage Besorgnis“, meint er.

„Ich sehe die Zukunft Großbritanniens positiv“
Der Befund eines vergleichsweise unaufgeregten Umgangs mit den Großkrisen der Zeit stimmt mit den Ergebnissen anderer Beobachter überein. So hatte die Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) im Januar trotz Konjunktureinbruch und Handelsturbulenzen eine optimistische Stimmung im deutschen Mittelstand ausgemacht. 65 Prozent der Unternehmen seien „uneingeschränkt zufrieden mit der Geschäftslage“, ergab das regelmäßig erhobene EY-Mittelstandsbarometer – der höchste Wert seit 2004. „Investitionen und Beschäftigung sollen weiter steigen“, lautete die Schlussfolgerung.

Auch der Blick in die Zukunft sei von Zuversicht geprägt. 56 Prozent der Firmen erwarten laut EY, dass sich die eigene Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten verbessere. Mit einer Verschlechterung rechneten ganze vier Prozent. Nur 2007 war der Anteil der Optimisten geringfügig höher.

Trump-Drohungen zeigen Wirkungen
Am besten schnitten bei der aktuellen Einschätzung der eigenen Lage exportlastige Branchen ab, wie die Elektrotechnik und die chemisch-pharmazeutische Industrie. Einzige negative Ausnahme: der Kraftfahrzeugbau. Bewerteten vor einem Jahr noch mehr als zwei Drittel der Autohersteller und -zulieferer ihre Geschäftslage mit einem „Gut“, so sind es in diesem Jahr weniger als die Hälfte. Die Drohungen von US-Präsident Trump zeigen offenbar Wirkung.

„Auf einen Super-GAU kann man sich nicht vorbereiten“
Natürlich gehe das zunehmend turbulente internationale Handelsumfeld nicht spurlos an den Unternehmen vorbei, muss auch Rödl zugestehen: „Die Euphorie ist vorbei.“ Angesichts des vergangenen Dauerbooms und wachsender Fachkräfteknappheit werde eine gewisse Beruhigung in manchen Chefetagen aber nicht ungern gesehen: „Viele Unternehmen haben in den letzten zwei Jahren so hart und an der Grenze ihrer Kapazitäten gearbeitet, dass manche sogar froh sind, wenn wieder mehr Normalität einkehrt.“

Heimliche Weltmarktführer aus der Provinz sind ein Markenzeichen des deutschen Mittelstands und ein wesentlicher Grund für seine relative Widerstandsfähigkeit gegen Krisen aller Art. „Der Mittelstand ist der wichtigste Innovations- und Technologiemotor Deutschlands und genießt zu Recht auch international großes Ansehen“, preist beispielsweise das Bundeswirtschaftsministerium die „Hidden Champions“-Firmen, die sich auf ganz speziellen Gebieten mit technischem Pfiff, zuverlässigem Service und Innovationsfreude für die Abnehmer in aller Welt unentbehrlich gemacht haben.

Beispiele sind der Pforzheimer Analysegerätehersteller Stratec Biomedical, der Industriekamera-Spezialist Basler aus Schleswig-Holstein oder die Kasseler Firma Hübner, die kürzlich mit einem Großauftrag Schlagzeilen machte. Hübner wird ab 2020 die neue Generation der New Yorker Subway mit ihren Faltenbälgen zwischen den Wagen ausstatten. Der Mittelstand, lobt das Ministerium, erwirtschafte alles in allem mehr als die Hälfte der Wertschöpfung, stelle fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze und biete vier von fünf betrieblichen Ausbildungsplätzen.

Bekannt für den guten Service
„Die deutschen Weltmarktführer sind typischerweise in Nischenmärkten in Bereichen wie Autozulieferung, Maschinenbau, Messtechnik, Elektrotechnik und Medizintechnik tätig“, erklärt Rödl. „Ihr häufig enger Fokus gibt den Unternehmen eine enorme Stärke gegenüber Wettbewerbern, die diese Märkte quasi nebenbei mit abdecken.“

Britische Wirtschaft wechselt in den Notfall-Modus
Viele Mittelständler spürten zwar inzwischen wachsende Konkurrenz aus China gerade in Hochtechnologie-Bereichen, aber oft seien sie ihnen in Sachen Innovation „um eine Nasenlänge“ voraus. Die Deutschen, so Rödl, haben sich bei den internationalen Abnehmern zudem den Ruf erarbeitet, hervorragende Servicequalität zu liefern: „Kunden schätzen es, dass die Lieferanten auch einspringen, wenn es mal nicht so läuft. Die vor Ort sind, Maschinen reparieren und Ersatzteile schnell beschaffen, wenn es drauf ankommt.“

Doch der Wettbewerbsvorsprung müsse immer wieder neu erarbeitet werden. China entwickele sich mit hohem Tempo zum schärfsten Wettbewerber für „made in Germany“, so Rödl. „Man darf ihn nicht unterschätzen.“ Als Absatzmarkt könne China die USA zudem nicht ersetzen. Deutsche Unternehmen würden in jedem Fall weiter in großem Umfang in den USA engagiert bleiben – wie eifrig auch immer der US-Präsident an Handelshürden baut.

Der Brexit gefährdet Tausende deutsche Jobs
Zur Realitätsnähe der Chefs kleiner und mittelständischer Unternehmen in Deutschland zähle der Verzicht auf Szenarien mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit. So werde ein Zerbrechen der Europäischen Union trotz steigenden Wählerzuspruchs für EU-feindliche Parteien in fast allen Ländern bis hin zur Regierungsbeteiligung allenthalben für extrem unwahrscheinlich gehalten.

„Ein Zerfall wäre ein wirklich bedrohliches Szenario, ein Rückschritt um 60, 70 Jahre“, sagt Rödl. Aber in den Planungen mittelgroßer Unternehmen spielten eine Renaissance von Schlagbaum und Zollabfertigung an den Grenzen nach Frankreich, Dänemark oder zu den Niederlanden keine Rolle: „Mit einem Auseinanderfallen der EU beschäftigt sich, soweit ich das sehe, keiner ernsthaft.“ Der Schaden für Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland wäre zu groß, als dass es ein Zurück geben könne.


Selbst das Spiel machen!

Kommentar von Wolfgang Lusak/Lobby der Mitte: Wir können nur hoffen, dass die österreichischen Betriebe und darunter vor allem die Exporteure und Hidden Champions auch so gelassen wie die deutschen mit der leider nicht unrealen Bedrohung umgehen. Denn beim Fußball heißt es zurecht und sollte wohl auch für unsere Export-KMU gelten: „nicht immer am Gegner ausrichten, selbst das Spiel machen!“

 

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