Ohne Liquidität ist alles Nichts

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Ohne Liquidität ist alles Nichts

Wir bringen diesen sehr gut recherchierten und aussagestarken ARTIKEL Ohne Liquidität ist alles Nichts  der WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN DONAURAUM, weil er die aktuelle Situation des Mittelstands punktgenau erklärt und auch Lösungsansätze bietet. Dank und Gratulation an Chefredakteurin Marie-Theres Ehrendorffer!

Stolperstein Liquiditätsklemme:
Für heimische KMU ist die Durststrecke bereits sehr lang

Müsste man den aktuellen Zustand der Wirtschaft mit einem einzelnen Wort beschreiben, wäre „Unsicherheit“ vermutlich der adäquateste Begriff dafür. Die Unternehmen stolpern von einer Krise in die nächste und die Liquidität der mittelständischen Betriebe schmilzt dahin. Die derzeitige geopolitische Lage verheißt nichts Gutes und niemand weiß, was die nächsten Wochen und Monate bringen werden.

von Marie-Theres Ehrendorffer

Im März hat die Industriellenvereinigung(IV) ihre bisherige Wachstumsprognosefür 2022 aufgrund des Krieges in der Ukraine bereits um einen Prozentpunkt auf 3,25 Prozent gesenkt. „Einer der beiden hauptsächlich dämpfenden Faktoren sind die fehlenden Exporte nach Russland und in die Ukraine. Das macht ungefähr die Hälfte des Effektes aus. Die andere Hälfte des Effektes kommt durch die höhere Inflation zustande. Wenn es zu einem Stopp der Energieexporteaus Russland nach Westeuropa käme, würde das gesamtwirtschaftliche Wachstum gegen null sinken, wir gerieten in eine Stagflation“, so Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung.

„Aufschwung gestoppt“ Inflation, Lieferengpässe, internationale Konflikte und steigende Sorgen vor Liquiditätsengpässen haben die Unternehmensstimmung in Österreich deutlich eingetrübt. „Es gibt unglaubliche Unsicherheiten. Und jede Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft“, erklärte KSV-Chef Ricardo-José Vybiral bei der Präsentation einer Umfrage unter 1.300 Unternehmen. „Der Aufschwung wurde gestoppt.“ „Große Herausforderungen sind Preissteigerungen, die nicht eins zu eins weitergegeben werden können“, betontVybiral. Die Firmen bleiben somit auf ihren Kosten sitzen. Entspannung an der Teuerungsfront erkennt der
Chef des Kreditschutzverbandes für heuer nicht mehr, sondern eher erst für das kommende Jahr.
Rund 80 Prozent der Betriebe können mittel- oder langfristig wirtschaftliche Probleme
nicht ausschließen. Laut aktuellem „Austrian Business Check“ haben neun Prozent der
Betriebe ihre liquiden Mittel vollständig aufgebraucht und es ist unklar, wie es die kommenden Monate weitergehen wird. Zudem ist zwar für 27 Prozent der Befragten das laufende Jahr gesichert, darüber hinaus gibt es aber einige Fragezeichen. Weiters sind laut eigenen Angaben aus heutiger Sicht für 13 Prozent die Jahre 2022 und 2023 gesichert, für 32 Prozent die nächsten drei bis fünf Jahre. Insgesamt erwarten gerade einmal 19 Prozent, langfristig keine finanziellen Probleme zu bekommen. „Was die Liquidität anbelangt, ist das Glas zum Teil halbleer. Dabei gibt vor allem die Kombination aus internationalen Krisenherden, aktuellen Kostenentwicklungen und wirtschaftlichen Corona-EinschnittenAnlass zur Sorge“, berichtet Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH. Aktuell haben mit 23 Prozent der Unternehmen im Burgenland eine deutlich höhere Anzahl akute Probleme mit der eigenen Liquidität als der Rest von Österreich. Am seltensten ist Liquidität inVorarlberg mit einem Prozent und Oberösterreich mit zwei Prozent ein Problem.

Investitionen trotz Krise
Trotzdem haben sieben von zehn Unternehmen im Vorjahr investiert. 36 Prozent davon
konnten ihre Vorhaben sogar zur Gänze realisieren. Zudem haben 34 Prozent in reduziertem Ausmaß investiert. In Salzburg und Vorarlberg war die Investitionsquote am stärksten
ausgeprägt, ebenso in den Bereichen Chemie/Pharmazie mit 84 Prozent sowie in der Textilwirtschaft bzw. im IT-Bereich. Wenn es nach den Unternehmen geht, wird sich dieser Trend auch heuer fortsetzen. Demnach wollen 57 Prozent weiterhin investieren – 80 Prozent davon in ähnlichem oder sogar größerem Ausmaß als zuletzt. Im Investitionsfokus steht dabei in erster Linie der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. „Es ist wichtig und richtig, dass sich die Unternehmen von der Pandemie nicht in die Knie zwingen lassen, sondern weiterhin investieren. Auch wenn das Eigenkapital zuletzt häufiger in Mitleidenschaft gezogen wurde“, so Wagner. „Denn wie die Unternehmen bestätigen, müssen sich aktuell 41 Prozent der Betriebe
mit negativen Auswirkungen der Pandemie auf das Eigenkapital auseinandersetzen. Während 42 Prozent keine Veränderung erkennen, hat sich die Situation bei 17 Prozent während der Krise sogar verbessert.“ Knapp drei Viertel der heimischen Unternehmen befinden sich im
Ranking mit geringem Risiko: jeweils rund 12,4 Prozent haben ein sehr geringes bzw. ein erhöhtes Risiko. Insgesamt hat es hier während der gesamten Pandemie nur geringfügige Verschiebungen gegeben, was wiederum auf ein sauberes finanzielles Fundament der österreichischen Betriebe schließen lässt. „Mit 31. März sind die Corona-Hilfen ausgelaufen, jetzt beginnt wieder die Trockenzeit ohne Fangnetz“, so Gerald Zmuegg, Chef des
Finanzombudsteams. „Obwohl die Unternehmen wieder operativ im Geschäft sind und Umsatz lukrieren, werden vor allem kleinere Betriebe ohne Controlling die Ersten sein, die bald ins Schleudern kommen. Denn Zahlungspläne fürs laufende Jahr erstellen nur die wenigsten.“

Entlastungspaket der Finanz
Gut gemeint, aber wohl nicht ausreichend ist das Herabsetzen von Steuervorauszahlungen, ein Teil des Entlastungspaketes, das mit April in Kraft getreten ist. „Das bringt den Unternehmen heuer 350 Millionen Euro Liquidität“, so Finanzminister Magnus Brunner. Damit haben die Firmen die Möglichkeit, die Vorauszahlungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer für heuer auf 50 Prozent auf vereinfachtem Weg herabzusetzen. Voraussetzung dafür ist, dass für das
Kalenderjahr 2021 bzw. das im Jahr 2022 endende abweichende Wirtschaftsjahr ein Anspruch auf Energieabgabenvergütung besteht oder die Glaubhaftmachung eines um mehr als dreiprozentigen Energiekostenanteils an den Gesamtkosten. „Die Möglichkeit, die Vorauszahlungen in Einzelfällen noch niedriger bzw. mit null durch Überprüfung eines substantiierten Nachweises der konkreten Betroffenheit festzusetzen, bleibt unberührt“, ergänzt Brunner. Die Antragstellung könne wie bisher über Finanz Online erfolgen.

Eigenkapital von KMU verbraucht
Das Eigenkapital der meisten KMU ist in den zwei Jahren Krise mit Einschränkungen und Lockdowns quer durch alle Branchen verbraucht. „Ganz besonders trifft dies auf die Gastronomie und Beherbergung zu, die bereits vor der Pandemie nicht für eine wirklich gute
Eigenkapitaldecke bekannt waren“, betont Finanzexperte Zmuegg. So führte er in der Tiroler Tageszeitung aus, dass „diese Betriebe vor zwei Problemen stehen: Zum einen können sie die Überbrückungskredite, die ja auf drei Jahre angelegt waren, nicht zurückzahlen, und an zum anderen werden sie von den Banken zum sogenannten Klumpenrisiko gezählt und bekommen auch keine Betriebsmittelkredite mehr, um die aktuell enorme Teuerung, hier vor allem bei den Energiekosten, vorfinanzieren zu können. Es wurden für 25.000 Unternehmen – die meisten aus dem KMU-Bereich – Überbrückungskredite in der Höhe von 4,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Wir gehen davon aus, dass der Großteil der Unternehmen heftige Probleme damit hat und viele von ihnen eigentlich vor der Insolvenz stehen.“

Zmuegg sagt weiter: „Unsere Auswertungen und Insolvenzzahlen im März widersprechen den Aussagen des Finanzministeriums, wonach die Insolvenzwelle verhindert worden wäre. Vielmehr zeigt sich, dass sie lediglich verschoben wurde.“ Laut KSV1870 haben 43 Prozent der Befragten auf staatliche Haftungen oder Förderungen während der Pandemie zurückgegriffen.
Aktuell sind 14 Prozent der Betriebe auf staatliche Finanzspritzen angewiesen, um „über die Runden zu kommen“. In der Industrie ist das mit 37 Prozent und in Salzburg mit 19 Prozent am häufigsten der Fall. Selten kommt das in Oberösterreich mit lediglich sechs Prozent
vor. Österreichs Betriebe sind insgesamt dank vorausschauendem Verhalten mit Ende des zweiten Corona-Jahres gut durch die Krise gekommen. „Ein KSV1870-Rating von durchschnittlich 352 bedeutet eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit und ist in Zeiten einer globalen Pandemie und eines Krieges, der die Weltwirtschaft maßgeblich beeinflusst, ein zufriedenstellendes Ergebnis“, bilanziert Wagner.

Ein Fünftel denkt über Kredit nach
Der Kreditschutzverband meint, dass sich die generelle Stabilität der heimischen Wirtschaft auch daran zeigt, dass im Vorjahr weniger Unternehmen einen Kredit in Anspruch genommen haben als zu Beginn der Corona-Krise im Jahr 2020. Während im vergangenen Jahr 19 Prozent der Betriebe auf einen Kredit zurückgegriffen haben, waren es ein Jahr zuvor 24 Prozent, am häufigsten in Salzburg und Kärnten und dabei innerhalb der Industrie und dem Gewerbe. Diese Entwicklung scheint sich heuer tendenziell fortzusetzen. Die häufigsten Gründe, warum ein Kredit in Erwägung gezogen wird, sind der Kauf oder die Renovierung von Immobilien, der Kauf von Kfz und der Aufbau neuer Geschäftsbereiche bzw. Produkte.

Unternehmensstimmung getrübt
Die Stimmung der Unternehmer ist jedenfalls „hinuntergerasselt“. Nur mehr 55 Prozent der befragten Firmen sagen laut Kreditschutzverband KSV derzeit, dass sie positive
Geschäftsaussichten haben. Bei der letzten Umfrage waren es noch 65 Prozent. Zuletzt
war die Stimmung nur im Zuge des ersten Corona-Lockdowns schlechter. Das geringste Problem derzeit sei die Auftragslage. „Aber hier gibt es ein Paradoxon
die Auftragsbücher sind mehr als voll, viele können die Aufträge aufgrund von Lieferengpässen aber nicht abarbeiten“, erklärt KSV-Chef Vybiral. Topthema sei hierbei und generell weiterhin ebenso der Arbeitskräftemangel, „auch weil die Auftragsbücher invielen Branchen voll sind“. Laut dem Austrian Business Check meinen die Unternehmer, dass die Arbeitslosigkeit weniger attraktiv gestaltet sein sollte und der Fachkräfte-Zuzug einer Erleichterung bedarf. 80 Prozent der Betriebe fürchten derzeit einen Liquiditätsengpass auf sich zukommen. Dennoch sei das Umfeld grundsätzlich stabil, sagt KSV-Experte Gerhard Wagner Neun Prozent der befragten Betriebe haben ihre liquiden Mittel aufgebraucht, „und es wird für sie schwierig, das laufende Jahr zu überstehen“. Insgesamt erwartet lediglich jedes fünfte Unternehmen, langfristig keine wirtschaftlichen Probleme zu bekommen. Die Pandemie hat negativen Einfluss auf das Eigenkapital von etwas mehr als 40 Prozent der Firmen genommen. Trotzdem haben 70 Prozent der Firmen voriges Jahr aber Investitionen getätigt, ist in der Umfrage herausgekommen.

Auch Bankbilanzen sind betroffen
„Eine stagnierende Kreditvergabe bringt den Banken eine hohe Überliquidität, die sie oft in Wertpapieren anlegen oder bei anderen Banken bzw. der Notenbank zumeist MIT negativen Zinsen anlegen“, beschreibt Thomas Fuchs, Initiator der Finanzinformationsseite „Gold-fuchs.com“, die Situation. „Das bringt zunehmend Verluste, sodass Banken größere Spareinlagen kündigen, da bei Sparbüchern kein Negativzins erlaubt ist. Andere Einlagen werden bereits mit hohen Gebühren und Minuszinsen belegt. Weil Banken aus dem Zinsgeschäft kaum noch Ertrag erwirtschaften, verkaufen sie Fonds, Lebensversicherungen und diverse oft schwer durchschaubare Wertpapiere und kassieren hier gute und sichere Provisionen.“ Im Verlauf der Pandemie hat sich die Ertragslage der heimischen Banken weiter verschlechtert. Zwei Faktoren lassen sich als Ursache ausmachen. „Die Bankbilanzanalyse 2020 zeigt gegenüber 2019 eine Zunahme der Liquidität aller Banken um rund 40 Prozent beziehungsweise 80 Milliarden auf 290 Milliarden Euro“, beschreibt Fuchs die auffälligste Veränderung. Der frühere Raiffeisenbank-Direktor Mittleres Unterinntal analysiert seit Jahren die Bilanzkennzahlen aller heimischen Banken. Die Betriebsergebnisse der Banken haben sich seit 2018 mehr als halbiert. Der deutliche Liquiditätsanstieg in den Banken wird durch höhere Spareinlagen der Kunden erklärbar. Das wird infolge der weitgehend negativen Verzinsung solcher Einlagen für die Banken zum Problem. Sie verursachten Ertragsrückgänge, die auch durch neuerliche Kostensenkungen nicht auszugleichen waren. Das ist nicht der alleinige Grund, gibt Alexander Lippner, KPMG-Partner und Bankexperte, zu bedenken. Das Periodenergebnis nach Steuern hat sich 2020 halbiert, dies ist zu einem großen Teil auf die Erhöhung der Wertberichtigungen um fast 40 Prozent zurückzuführen. Die Risikokosten haben sich aufgrund der Pandemie signifikant erhöht. Man könne allerdings davon ausgehen, dass sich dieser Sondereffekt bereits 2021 aufgelöst habe. Das Einlagenproblem sei hingegen nach wie vor gegeben. In „Fondsprofessionell“ meint Lippner: „Wir haben eine unglaublich
hohe Sparquote. Diese hat sich bei den privaten Haushalten im Vergleich von 2018 auf 2020 fast verdoppelt.“ Er sieht das größte Potenzial zur Entschärfung der Schieflage im Bereich der Provisionserträge. „Zählt man alles zusammen, liegen diese nur bei der Hälfte der Zinserträge. Im Idealfall sollte das Verhältnis zwischen beiden Ertragsquellen bei 50 zu 50 liegen. Das liegt an unserer im internationalen Vergleich niedrigen Aktionärsquote. Diese liegt in Österreich
bei Über-16-Jährigen bei rund zehn Prozent, während sie in den Niederlanden bei rund 30 Prozent und in der Schweiz oder in Schweden bei jeweils rund 20 Prozent liegt.

„Österreichs Unternehmen haben sich mit Händen und Füßen gewehrt, um
die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie möglichst im Zaum zu halten. Das ist häufig gelungen, trotzdem gibt es einige Wackelkandidaten“, erklärt Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH.

Der Verwendungszweck der staatlichen Überbrückungskredite ist die Finanzierung eines Verlusts, der nicht durch die Hilfen gedeckt ist“, so Gerald Zmuegg, Chef des Finanzombudsteam. „Demnach gibt es 25.000 Unternehmen, die Überbrückungskredite in Höhe von 4,8 Milliarden Euro aufgenommen haben.“

„Das geringste Problem ist die Auftragslage“, sagt KSV-Chef Ricardo-José
Vybiral. „Doch hier gibt es ein Paradoxon – die Auftragsbücher sind mehr als
voll, viele Unternehmen können die Aufträge aufgrund von Lieferengpässen
aber nicht abarbeiten.“

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