Was der Mittelstand am meisten hasst …

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Was der Mittelstand am meisten hasst …

Dieser Artikel von Wolfgang Lusak plus Interview mit Stefan Schrenk ist gerade im SENATE des Senat der Wirtschaft erschienen. Natürlich wollen wir den Artikel Ihnen, liebe Mittelständler und Mittelständlerinnen sowie Fans der Lobby der Mitte auch hier nicht vorenthalten …

Was der Mittelstand am meisten hasst …

Die Klein- und Mittelunternehmen leiden unter der steuerlichen Benachteiligung von Einzelunternehmen gegenüber Kapitalgesellschaften sowie der Möglichkeit von Konzernen, internationale Steuerschlupflöcher zu nutzen. Das führt zu Wettbewerbsverzerrungen. Auch die globale Mindeststeuer von 15% für Konzerne kommt nicht und nicht auf den Weg. Den Mittelstand schmerzt auch , bei der Aufnahme von Kapital und Personal gegenüber Großunternehmen und der öffentlichen Hand den Kürzeren zu ziehen. Obwohl er gerade jetzt für seine Investitionen Geld braucht und für seine Jobs händeringend Fachkräfte sucht

Was der Mittelstand aber meisten hasst, ist die täglich an seinen Kosten und seinem Zeit-Budget nagenden Bürokratie. Sie kostet ihn schlaflose Nächte, verursacht Angst davor, kriminalisiert zu werden, führt ihm Tag für Tag vor Augen, wie viel Geld, Arbeitsschwung und auch Mitarbeits-Motivation sein Unternehmen durch sie verliert. In der letzten Lobby der Mitte-Umfrage nannten die KMU Bürokratie als Nr.1-Problem. Gegen über offiziellen Erhebungen, die durchschnittlich von „nur“ rund 250 Stunden pro Jahr Zeitaufwand für Finanzamt, Behörden und Statistik sprechen,  reden viele KMU von mindestens 1 Tag pro Woche Aufwand, weil sie natürlich die Auflagen des ArbeitnehmerInnen-Schutzgesetzes zur Bürokratie dazurechnen. Auch die als Beschränkung der großen „Datenkraken“-Konzerne gelobte Datenschutzverordnung hat nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt und belastet vor allem KMU.

Schein-Verbesserungen und unerfüllte Verbesserungen. Unter dem Titel „Abbau regulatorischer Hürden und Verbesserung des Marktzugangs“ schrieb das Wirtschaftsministerium in seinem letzten „KMU im Fokus “ – früher „Mittelstandsbericht“ genannt – dass die KMU aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen überproportional stark von administrativen Belastungen – wie etwa zur Einhaltung von Regelungen und Verwaltungsvorschriften – betroffen sind. Wie wahr! Als Maßnahmen der Regierung zur Reduktion von administrativen und sonstigen Belastungen für KMU zu reduzieren wurden genannt: Ein Deregulierungspaket mit der Einführung des „Grace-Period-Gesetzes“, welches eine Erleichterung bei Betriebsübergaben schaffen soll. Weiters wurden Ausbau und Anwendung eines „Once Only“ Systems versprochen, wodurch Daten für die öffentliche Hand von Unternehmen nur einmalig zur Verfügung gestellt werden müssen.

Nach einer kurzen Rückfrage unter KMU muss ich feststellen, dass für sie keine dieser Vorhaben oder Maßnahmen spürbar wurden. Insgesamt waren die Versprechungen leider von Haus aus zu dünn. Auch schon früher beschlossene Gesetze im Bereich Deregulierung blieben zahnlos oder versandeten.

Die Lobby der Mitte hatte gemeinsam mit Senat der Wirtschaft und Gewerbeverein vor einem Jahr einen Vorschlag gemacht, nämlich die Installierung von Bürokratie-Scouts für Unternehmen. Sie sollten die fachlichen Qualitäten eines Volksanwalts, Standortanwalts und Wirtschafts-Anwalts in sich verbinden. Sollten eingreifen dürfen, wenn Sinnhaftigkeit, Verhältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit von Gesetzen nicht einsichtig sind. Sollten auch neuerliche Begutachtungs-Verfahren für Gesetze einleiten können und einen One-Stop-Shop für Bürokratie-Fragen entwickeln. All das wurde leider von der Politik ignoriert.

Dabei brächte weniger Bürokratie Standortvorteile, mehr Luft für Kreativität und Wachstum, mehr Rechtssicherheit, echte Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung. Jede Regierung hat bisher der Überbürokratisierung den Kampf angesagt, aber der Mittelstand steht heute weiterhin fassungslos vor noch mehr Auflagen. Zum Schaden der Steuereinkommen, der Arbeitsplätze und der Nachhaltigkeit.

Bei unseren Nachbarn ist das anders. Deutschland hat ein dauerhaft eingerichtetes, unabhängiges Beratungsorgan für den Bürokratieabbau, den Normenkontrollrat. Er ist eine „Expertengruppe, die direkt beim Kanzleramt angesiedelt ist und alle Gesetze auf Bürokratiekosten hin überprüft“. Florian Huemer, Rechtsanwalt in Wien, hat vor nicht all zu langer Zeit auf dieses Vorbild hin gewiesen und vorgeschlagen auch in Österreich durch die bereits bei uns bestehende sogenannte „wirkungsorientierte Folgenabschätzung (WFA)“ gegen eine bezüglich Bürokratie überbordende Gesetzgebung einzuwirken, sie zu mildern oder auch Fehlentwicklungen zu verhindern. Er hat auch „eine effektive Kontrollinstanz, eine Art Bürokratie-TÜV“ vorgeschlagen. Wurden diese Ideen je aufgegriffen? In einem Bericht über die WFA 2020 wurden zwar einige angeblich positive Beispiel genannt. Im Alltag des Mittelstands ist das alles aber so gut wie nicht angekommen.

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Das Praxis-Interview zum Thema Bürokratie

Um die täglichen Sorgen der KMU aus erster Hand erfassen zu können, habe ich den Geschäftsführer der Treppen-Großtischlerei Schrenk, Stefan Schrenk (StS) aus dem Waldviertel zum Interview gebeten:

Was sind für Euch die unbegreiflichsten Bürokratie-Belastungen?

StS: „Alles was die Mitarbeiter betrifft. Um Mitarbeiter halten bzw. gewinnen zu können, reicht nicht nur eine 4 Tagewoche – mit maximaler Tagesarbeitszeit – es geht um viel mehr: Vereinbarkeit von Familienleben, Freizeit und Beruf. Das wäre eigentlich kein Problem, allein die Vorschriften machen das unmöglich. Wir Mittelstandsbetriebe sind keine Ausbeuter, haben einen familiären Führungsstil, wollen die Arbeitsplätze so attraktiv wie möglich gestalten. Aber wenn ein Mitarbeiter im eigenen Interesse und im Firmeninteresse sehr gerne an einem Tag länger arbeite will, dann darf er das einfach nicht. Bei uns gibt es auch Leute die gerne mehr wie 40 Stunden und am Sonntag arbeiten würden. Die beengenden Regelungen sollten für Konzerne gelten, die ihre Mitarbeiter tatsächlich ausbeuten.

Das ArbeitnehmerInnen-Schutzgesetze ist für uns eine riesige Leistungs-Bremse. Darin wird der Umgang mit gefährlichen Arbeitsstoffen geregelt, die Belastungen durch Arbeitsvorgänge, die Einwirkungen von Staub, Hitze, Lärm. Alles OK. Aber wir Unternehmen werden zusätzlich zur selbstverständlichen Gefahrenverhütung dazu verpflichtet, spezielle Konzepte und Evaluierungen zu erstellen, müssen Spezialbeauftragte für diverse Themen ausbilden und installieren. Für jedes Themen wie Sicherheit, Unfall-Prävention, Arbeitsplatzgestaltung, Unterweisung, Erste Hilfe, Brandschutz, und vieles mehr. Das ist zuviel! Mir wird schlecht, wenn ich daran denke, wie viel an Leistungsfähigkeit dadurch dem Betrieb verloren geht.“

Aber gibt es andererseits nicht auch gute Förderungen?

StS: „Es ist der totale Wahnsinn einen Förderantrag für sämtliche Innovationen zu formulieren um dann schlussendlich eine Absage zu bekommen. Weil z.B. „Firma zu groß“, „Firma zu klein“ ist, nicht „innovativ genug“ ist oder „zu innovativ für den Markt“ sei. Auf der anderen Seite werden unkompliziert richtig hohe Beträge an Corona und Energiezuschüsse mit der Gießkanne verschüttet. Da profitieren in vielen Fällen dann jene Betriebe, die sich in den letzten Jahren mit billiger, fossiler Energie versorgt und keine Maßnahmen für die Zukunft gesetzt haben – weil sie jetzt endlich auch nachhaltiger werden.“

Wie wirkt sich das auf die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit Eures Unternehmens aus?

StS: „Wir lassen uns seit vielen Jahren nicht unterkriegen und arbeiten mit viel Herzblut und Elan an den zukunftsorientierten Aufgaben. Wir schaffen auch trotz der Blockaden der Bürokratie eine Weiterentwicklung – zwar langsam aber stetig! Ich versuche mich auch so gut es geht von Bürokratie und Politik fernzuhalten, um mir nicht das Feuer löschen zu lassen.“

Was sollte zuerst geändert werden?

StS: „Einfach viele Gesetze und Vorschriften bleiben zu lassen. Alte überholte Gesetze ausmustern. Die Frage soll sein, was haben die Kunden und Konsumenten davon. Was hilft dabei, ein zukunftsfähiges, nachhaltiges, ökologisch sinnvolles Produkt besser zu machen, den Kundennutzen zu erhöhen. Nur das zu tun, was diesem Nutzen dient. Alles andere weglassen.“

Beispiel: die 15 Minuten die mein Kundenberater mit Zeiterfassung, Kilometerabrechnung, Diätenlisten etc. täglich verbringt – was aber dann auch in die Lohnabrechnung eingegeben werden muss – ist Zeitverschwendung. Es hilft auch nicht diesen Prozess zu digitalisieren, denn ein digitaler Prozess, der nicht den Kundennutzen verbessert, ist ein unnötiger, der wegzulassen ist!“

Danke fürs Interview, lieber Stefan!

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Der Interview-Partner:

Stefan Schrenk, Tischlereiunternehmer, Holztreppen- & Türen-Erzeuger, „Plugin“-Kleinhausbauer, Lean-Bautischler, Holzbau-Innovator und vieles mehr www.schrenk.co.at

Text und Interviewer:

Wolfgang Lusak, Unternehmensberater & Lobby Coach in allen Branchen, besonders für digital-nachhaltige Innovationen und Kooperationen www.lusak.at und Gründer der unabhängigen Mittelstands-Plattform www.lobbydermitte.at

 

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