Im Lobby-Sumpf der NGOs (von Josef Urschitz)

Wenn sich Josef Urschitz, von DIE PRESSE die politischen Lobbying-Aktivitäten der NGOs sowie deren dubiose Einkünfte aus vom Staat verteiltem Steuergeld ansieht und dabei aufdeckt, wie immens und mediengewaltig deren Einfluss bereits geworden ist, dann ist das allemal lesenswert. Danke vielmals und Kompliment!

Im blubbernden Lobby-Sumpf der NGOs

Josef Urschitz (Redakteur und Kolumnist Economist DIE PRESSE)

 

Mitte April war an dieser Stelle von einem unfassbaren Bericht des EU-Rechnungshofs zu lesen: Die EU habe, hieß es in dem Bericht, im Untersuchungszeitraum (2021–2023) mehr als sieben Mrd. Euro an Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ausgeschüttet, „ohne dass deren Verwendungszweck transparent offengelegt wurde“. Geht ja keinen etwas an, was mit dem Geld europäischer Steuerzahler geschieht.
Jetzt wurde ein Zipfel des Geheimnisses gelüftet: Die Tageszeitung „Die Welt“ hat nach Eigenangaben Einblick in Verträge bekommen, die belegen, dass Geld zweckgebunden für Lobbying in Klimafragen verwendet werden sollte. Konkret habe etwa die NGO Client Earth 350.000 Euro dafür bekommen, Betreiber von deutschen Kohlekraftwerken mit Klagen zu überziehen, um deren „finanzielles und rechtliches Risiko zu erhöhen“. Eine andere NGO erhielt Hunderttausende Euro dafür, Klimaklagen gegen Bauern anzustrengen und gegen den Mercosur-Handelspakt mit Südamerika (unter anderem im Europaparlament) zu lobbyieren.
Kurz gesagt: Funktionäre der EU bezahlen verdeckt NGO-Lobbyisten mit Steuergeld, um ihre Interessen per Spiel über die Bande durchzusetzen. In diesen Fällen wurde etwa deutsches Steuergeld (Deutschland ist der größte Nettozahler) dazu verwendet, um der deutschen Wirtschaft de facto Schaden zuzufügen. Das ist ein Riesenskandal, wirft aber auch ein bezeichnendes Licht auf den blubbernden Sumpf, in dem ein nicht unbeträchtlicher Teil der europäischen NGOs stecken: Eine „Nicht“-Regierungsorganisation, die von der Politik Geld nimmt, um dann verdeckt für deren Interessen zu lobbyieren – wie nennt man das? Zivilgesellschaft wohl eher nicht. Das ist das ziemlich genaue Gegenteil davon.
Noch besser war aber das „Dementi“ der EU-Kommission: Die Verträge seien nicht „geheim“ gewesen. Außerdem würden NGOs „eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung, Überwachung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften“ spielen.
Wie bitte? Wir dachten immer, die „Gestaltung, Überwachung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften“ sei in demokratisch organisierten Gesellschaften Kernkompetenz von Exekutive und Legislative, also demokratisch legitimierter Organisationen. Und nicht von privaten, wenn auch mit viel Staatsgeld gepamperten intransparent finanzierten Vereinen mit partikularen und oft sehr ideologisch gefärbten Interessen. Ganz nebenbei: Staatlich finanzierte Nichtregierungsorganisation ist ja wohl die klassische Definition eines Oxymorons.
Was sich hier auftut, ist nicht „Zivilgesellschaft“, sondern „Deep State“. Und das ist ein großes Problem. Nicht nur in der EU selbst, sondern auch in deren Mitgliedsländern. Ganz besonders in Deutschland, wo viele Milliarden Steuergeld völlig intransparent in solche Organisationen (von Klima über Asyl bis zur Internetüberwachung) fließen. Und wo allein die Frage nach Finanzierungstransparenz als Sakrileg gilt.
Wie etwa der damalige Kanzlerkandidat Friedrich Merz im vergangenen Wahlkampf erfahren musste, als er seine berühmt gewordenen 551 Fragen zur staatlichen NGO-Finanzierung stellte – und sich daraufhin statt einer befriedigenden Antwort anhören musste, eine solche Ungehörigkeit gefährde die Zivilgesellschaft und letztendlich die Demokratie. Dass der kecke Fragesteller aus Rücksicht auf künftige Koalitionen daraufhin schnell den, äh, Kopf einzog und die Fragen wieder vergaß, sagt ganz nebenbei viel über die Konsistenz des Rückgrats aktueller konservativer Politik aus.
Deutschland hat übrigens vor kurzer Zeit ein schönes Beispiel dafür geliefert, wie dieses Zusammenspiel von Politik mit NGOs über die Bande funktioniert: Die NGO Pro Asyl hat für drei somalische Migranten beim dritten Versuch, illegal aus Polen nach Deutschland zu kommen, eine Klage gegen die Zurückweisung inszeniert. Wie das Leben so spielt, ist der Fall von der polnischen Grenze einem Berliner Richter zugeteilt worden, der zufällig Mitglied der deutschen Grünen ist und in seiner Studienzeit als linker Aktivist aufgefallen ist. Der hat – große Überraschung – die Zurückweisung für rechtswidrig erklärt, was wiederum deutsche Grüne veranlasst hat, das Ganze zu generalisieren und von der generellen Unzulässigkeit von Zurückweisungen zu reden.
Im Grunde haben wir damit jetzt einen NGO-generierten Gerichtsbeschluss, der illegale Einreise in das Staatsgebiet aus einem sicheren Land noch dazu unter Vorspiegelung falscher Tatsachen legalisiert. (Eine beteiligte Somalierin war den Berichten zufolge bei den ersten Einreiseversuchen voll-, beim NGO-orchestrierten dritten dagegen minderjährig, gültige Dokumente wurden natürlich nicht vorgelegt.) Bravo! Unter solchen Umständen kann der Staat gleich einpacken.
Wie auch immer: Dieser intransparente Sumpf hat dazu geführt, dass zum Beispiel (in vielen Fällen vom Staat oder von der EU zumindest mitfinanzierte) Klimaklagen ebenso wie der gesamte Sektor der irregulären Migration zu einem sehr einträglichen Geschäftsmodell nicht nur für einschlägige Anwälte und Immobilienvermieter, sondern auch für eine ganze Reihe von teilweise staatsfinanzierten NGOs geworden sind.
Das ist ein unerträglicher Zustand und erklärt vielleicht auch, wieso sich Vernunft in diesen beiden Bereichen so schwer durchsetzen lässt. Zum Schaden jener, die das Ganze letztendlich zu bezahlen haben. Es wird Zeit, dass sich die wirkliche Zivilgesellschaft – nämlich die Bürger, die den Zinnober mit ihrer Steuerleistung finanzieren – und die zahlreichen NGOs, die unverzichtbare und hervorragende Arbeit leisten (Rotes Kreuz, Caritas etc.), von diesem verdeckten Politlobbyismussumpf unter dem Deckmantel NGO emanzipieren beziehungsweise distanzieren.
Die Sache ist ganz einfach: Es geht um viel Macht, und Macht braucht Kontrolle. Diese erfordert Transparenz. Deshalb gehört die Finanzierung von NGOs lückenlos auf den Tisch. Damit jeder selbst sehen kann, wo es sich um echte, wichtige NGO-Arbeit handelt. Und wo es nur um verdeckten Lobbyismus für Einzelinteressen geht, dessen Kosten dann der Allgemeinheit umgehängt werden.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Josef Urschitz
josef.urschitz@diepresse.com
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