„Wenn man nach eineinhalb Jahren in dem Land, in dem man lebt, nicht einmal rudimentäre Kenntnisse der Landessprache besitzt …“ (von Josef Urschitz)

Wenn sich Josef Urschitz, von DIE PRESSE anhand einer neuen Umfrage/Studie des AMS die  Anreize der Regierenden für die Zuwanderer bezüglich Erwerb der deutschen Sprache und Bereitschaft zu Arbeiten ansieht, dann kommt man einerseits in ungläubiges Staunen und empfindet andererseits eine Art ohnmächtiger Empörung

„Wenn man nach eineinhalb Jahren in dem Land, in dem man lebt, nicht einmal rudimentäre Kenntnisse der Landessprache besitzt, dann will man nicht.“

Josef Urschitz (Redakteur und Kolumnist Economist DIE PRESSE)

dass in Sachen Migration seit 10 Jahren so gut wie alles schief läuft, ist jetzt keine große Neuigkeit. Bestes Zeichen dafür ist ja die ständige Warnung vor der demografischen Lücke am Arbeitsmarkt, obwohl in den vergangenen zehn Jahren allein über die Asylmigrations-Schiene gut eine halbe Million Menschen im besten Arbeitsmarktalter zugewandert sind – die sich aber nur zu einem viel zu geringen Teil in den Beschäftigtenzahlen wiederfinden. Besonders in höher qualifizierten Jobs.
Um die Zuwanderung so zu steuern, dass sie auch volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen statt nur immer höherer pekuniärer und sozialer Kosten bringt, müsste man, auch das wissen wir, an vielen Schrauben drehen. Wie verbockt die Situation allerdings tatsächlich ist, kann man an einer jüngst veröffentlichten Studie des Forschungsnetzwerks des AMS ablesen, die sich offenbar ohne Tabus mit den über diese Schiene zugewanderten Syrern, der mit Abstand größten Gruppe der über Asylmigration nach Österreich Kommenden – befasst. Es lohnt sich wirklich, die 200 Seiten-Studie  (abrufbar unter: https://forschungsnetzwerk.ams.at/dam/jcr:9845e25b-6a6a-4d26-a7d3-99e832a597f0/AMS_2025_Recent%20Arrivals_syrische%20Fluechtlinge_Arbeitsmarkt.pdf) durchzulesen, auch wenn man dafür gute Nerven und einen stabilen Blutdruck benötigt
Am Boulevard sind die griffigsten Erkenntnisse hängengeblieben. Beispielsweise die Aussage, dass Syrer gelegentlich absichtlich beim Deutschkurs durchfallen, um der Vermittlung auf eine Arbeitsstelle zu entgehen. Sagen nicht rassistische Fremdenfeinde, sondern von der Forschungsgruppe befragte Syrer und Syrerinnen selbst. Kann man ihnen aber auch nicht verdenken, wenn der Abstand zwischen dem, was ihnen an Sozialhilfe geboten wird und dem, was sie in den prekären Jobs verdienen, die ihnen angeboten werden, so gering ist.
Diese Sozialleistungen wirken übrigens als nicht unbeträchtliche Magneten: Für den Entschluss, nach Wien zu ziehen, gaben die Befragten neben den üblichen Motiven – etwa das Vorhandensein einer größeren Community – prominent auch die hier höheren Sozialleistungen an. Und widersprachen damit recht eindrucksvoll den zahlreichen und gern zitierten „wissenschaftlichen“ Studien, die finanzielle Pulleffekte schlichtweg bestreiten. Informationen über solche Leistungen, heißt es in der Studie, zirkulieren in der Community und werden schon in den Erstaufnahmezentren weitergegeben.
Das wiegt umso schwerer, als man der wissenschaftlichen Leiterin der Studie, Judith Kohlenberger, vielleicht vieles nachsagen kann, aber sicher nicht das Bedienen fremdenfeindlicher oder rassistischer Narrative. Was jetzt kommt, ist also keine Polemik, sondern die nackte Realität. Beispielsweise die Anmerkung, dass es auch dann, wenn es gelingt, die einschlägigen AMS-Schützlinge in Arbeit zu bringen, nicht ganz reibungslos geht. Etwa deshalb, weil, wir zitieren, die „arabische Kultur“ eine gewisse „Lockerheit in Sachen Pünktlichkeit und Präzision“ mit sich bringt, die sich mit hiesigen Effizienzvorstellungen nicht ganz deckt.
Wobei die Arbeitsaufnahme nicht nur durch Sprachbarrieren, sondern auch durch die Bildungsvoraussetzungen der syrischen Migranten nicht ganz einfach ist: Der Anteil jener ohne oder mit nur sehr geringer formeller Bildung ist sehr hoch – und er steigt mit jedem Jahr, in dem die Asylmigrationswelle anhält. Wie ja schon der Integrationsfonds vor einiger Zeit festgestellt hat, haben 70 Prozent der über die Asylschiene ins Land gekommenen Alphabetisierungsbedarf, die Hälfte davon auch in der eigenen Sprache. Mit anderen Worten: Sie haben auch in der Erstsprache nicht Lesen und Schreiben gelernt.
Das erschwert natürlich die wichtigste Voraussetzung für einen Job, das Erlernen der Landessprache. Allerdings: Dass zwei Drittel der Angekommenen nach eineinhalb Jahren noch überhaupt keine Deutschkenntnisse aufweisen und der Rest überwiegend erst im Niveau A1 hängt, zeigt die ganze Katastrophe. Wobei man das zumindest für die zwei Drittel ohne jede Sprachkenntnis nicht auf fehlende oder schlechte Sprachkurse schieben kann: Wenn man nach eineinhalb Jahren in dem Land, in dem man lebt, nicht einmal rudimentäre Kenntnisse der Landessprache besitzt, dann will man nicht. Vielleicht, weil es nicht notwendig ist. Besonders krass ist die Situation in Wien: Da haben 35 Prozent der syrischen AMS-Kunden (da sind die schon länger hier Lebenden auch enthalten) keine Deutschkenntnisse.
Die Studie befasst sich ausschließlich mit syrischen Zuwanderern, in anderen Gruppen der so genannten „Fluchtmigration“ ist die Situation aber nicht viel anders. „Fluchtmigration“ steht hier deshalb unter Anführungszeichen, weil es sich, anders als zu Beginn der Migrationskrise, überwiegend nicht mehr um Flucht vor Verfolgung im eigentlichen Sinn handelt: Ein Großteil der von der Studie befragten „Geflüchteten“ hat vor der Ankunft in Österreich schon Jahre in so genannten Transitländern wie etwa der Türkei gelebt und dort auch gearbeitet. War also sicher, wenn auch nicht so gut versorgt wie hierzulande.
 So – und jetzt überlegen wir uns einmal, was das für eine hochentwickelte Industriegesellschaft bedeutet, die auf Bildung und Innovation angewiesen ist, weil sie mit ihrem Lohnniveau im Billigbereich international nicht konkurrieren kann. Und für deren Bildungssystem, das jetzt schon darunter leidet, dass beispielsweise in Wien ordentlicher Volksschulunterricht mangels Deutschkenntnissen der Schüler immer schwieriger wird. Was zwangsläufig zu einem Absenken des Bildungsniveaus führt. Und in weiterer Folge zu einem Absinken der Wettbewerbsfähigkeit des Landes.
Und dann überlegen wir uns, wie wir diese wirtschaftlich und gesellschaftlich suizidale Form der Zuwanderung in den Griff bekommen. Und wie wir die nicht zu knapp notwendige Wirtschaftsmigration so steuern, dass wir wirklich die benötigten Fachkräfte bekommen.
Klar, das ist schwierig. Ganz Europa hat in Sachen Migration derzeit ein Problem mit einer EU, die den Ernst der Lage offensichtlich noch nicht klar genug erkannt hat. Mit europäischen und nationalen Höchstgerichten, die die bestehende Rechtslage extrem in eine Richtung dehnen und natürlich damit, dass die bestehende Form der Asylmigration europaweit zu einem Milliardenbusiness nicht nur für Schlepper, sondern auch für NGOs, Anwälte und Bruchbudenvermieter geworden ist. Ein Geschäft, das man sich nicht gerne nehmen lassen will.
Aber natürlich gibt es nationale Spielräume. Es gibt Länder wie Dänemark oder Polen, die relativ wenig betroffen sind. Und solche wie Österreich oder Deutschland, wo sich die Probleme häufen. Und diese Spielräume wird man erst einmal nutzen müssen. So, wie es jetzt läuft, geht das Land den Bach hinunter. Und das ist, bei aller Humanität, nicht akzeptabel.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag
Josef Urschitz
josef.urschitz@diepresse.com
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