Einspruch, Herr Finanzminister!

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Kommentar zum großen KURIER-Interview von CR Martina Salomon mit BM Germot Blümel am 7.2.21 von Wolfgang Lusak – mit direkter Ansprache des Finanzministers, der Interviewerin und am Schluss auch des WKO-Präsidenten

Einspruch, Herr Finanzminister: Diese Frage hätte sich eine differenziertere und umfassendere Antwort verdient!

Das gestrige Interview von KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon mit Bundesminister Gernot Blümel zeigt die vielen Fragen, welche angesichts der Krise entstanden sind sowie die enorm vielfältigen Herausforderungen an die Regierenden auf. Es spiegelt aber auch den Mangel an Verständnis und Achtung wider, welche in der Politik dem Mittelstand entgegengebracht wird. Ganz konkret bezieht sich dieser Kommentar auf folgenden Teil des Interviews:

CR Dr. Martina Salomon:
 „Zahlt nicht in Wahrheit eh schon viele Jahre der Mittelstand die Schulden wegen der Niedrigzinspolitik?“

Finanzminister Blümel:
„Deswegen bleibt es unser Ziel, die Steuern- und Abgabenquote weiter zu senken. 40% der privaten Vermögen liegen auf Sparbüchern, und da findet eine schleichende Enteignung statt“

Sehr geehrter Herr Minister Blümel: 

Danke, dass Sie bestätigt haben, dass es diese schleichende Enteignung gibt, welche private Sparvermögen absaugt. Danke auch, dass Sie beabsichtigen, die Steuern- und Abgabenquote zu senken.

Aber: Die Enteignung privater Sparvermögen trifft nicht nur den unternehmerischen Mittelstand, sondern alle, die über Sparbücher verfügen, also die gesamte Mittelschicht (= die Schicht der mittleren Einkommen, darunter viele Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Beamte etc.). Vermutlich hat Frau Dr. Salomon auch diese Mittelschicht gemeint, da wäre es nicht schlecht gewesen zu hinterfragen: „Meinen Sie Mittelstand oder Mittelschicht?“. Bitte sehen Sie diese Unterscheidung nicht als spitzfindig an, denn diese beiden unterscheiden sich in Positionen und Bedürfnissen schon sehr: Eigner und Teilhaber von EPU, KMU, Familienbetrieben und Freiberufler-Unternehmen nennen sich gerne den „Mittelstand“, sehen sich zurecht als Träger der Wirtschaft und dennoch in vieler Hinsicht gegenüber Großunternehmen benachteiligt. Zu diesen Nachteilen gehören nicht nur der schwerere Zugang zu Kapital und Personal sowie die für sie vergleichsweise unzumutbare Bürokratie, sondern auch die Steuerungerechtigkeit gegenüber Global-Unternehmen, welche legal wie illegal Steuerzahlungen vermeiden können. Was ein klarer Wettbewerbsnachteil ist.

Daher kann sich der Mittelstand über eventuell kommende niederere Steuern und Abgaben nicht so recht freuen, weil das seinen Wettbewerbsnachteil gegenüber steuerlich und auch sonst privilegierten Konzernen – welche z.B. mit dem „too big to fail“-Argument Regierungen erpressen können – nicht berührt.

Und der Mittelstand ist schon von existentieller Bedeutung für den Staat: Wenn es weniger Mittelstandsbetriebe gibt, wer kann dann – besonders jetzt bei der gestiegenen Verschuldung – die notwendigen Steuern zahlen? Wer sichert dann Arbeitsplätze, Nahversorgung und Innovationen für den Export? Wer arbeitet hier aktiv für den Standort, Nachhaltigkeit und Klimaschutz? Nach dem Shareholder-Value agierende Konzerne tun das leider viel weniger. Ohne Mitte der Wirtschaft und Gesellschaft spaltet sich das Land noch mehr und stürzt letztlich ins Chaos. Entwickeln Sie bitte daher die Wirtschaftspolitik verstärkt in Richtung von Erhalt und Ausbau des Mittelstandes. Denn dadurch entsteht die runde, demokratische Gesellschaft, die allen Krisen standhalten kann.

Bitte machen Sie einen Blick in die Ergebnisse der aktuellen, von Lobby der Mitte in 9.Welle durchgeführte „Mittelstandsbarometer“-Repräsentativ-Umfrage, welche ganz klar zu Tage bringen, dass nicht nur die Mittelstandsbetriebe selbst, sondern auch die österreichische Bevölkerung den Mittelstand als benachteiligte, schwache Lobby einstufen, die von Regierung, Konzernen und internationaler Finanzwirtschaft dominiert wird, obwohl ihn 83% für wichtig halten und sich ein Drittel der befragten Österreicher zur „Wertegemeinschaft Mittelstand“ zugehörig fühlen. Und weil er nachweislich ein wichtiges und gleichzeitig zu wenig genutztes Wählerpotential darstellt. Hier geht es zum Mittelstandsbarometer-Bericht mit allen Detailergebnissen.

Sehr geehrt Frau Dr. Salomon:

Danke, dass Sie das Thema Mittelstand in dieses Interview aufgenommen haben. Die Unterscheidung zwischen Mittelstand und Mittelschicht ist relevant. Mittelstand freut sich darüber, wenn Journalisten in Ihren Kommentaren und Interviews seine Leistungen, Existenzgrundlagen, Wettbewerbsbedingungen und Rahmenbedingungen ins Spiel bringen. Und er ersucht nachzufragen, wenn ein Minister nur die Senkung der Steuern- und Abgabenquote als Lösung für ihn nennt. Übrigens: Nur diese eine von Ihren 24 Fragen bezog sich auf den Mittelstand als Gesamtheit.

Darüber hinaus darf ich mich zu diesem Thema noch an den Präsidenten der WKO wenden. Sehr geehrter Herr Dr. Mahrer:

Sie sind als WKO-Präsident ja für alle Unternehmen verantwortlich, deshalb konnte ich mich besonders über Ihr Buch „MEHR MITTE, BITTE!“ freuen. Bitte machen Sie einen Blick in die aktuellen Mittelstandsbarometer-Umfrage-Ergebnisse. Die Lobby der Mitte und ich stünden sehr gerne zur Verfügung, wenn es um die Frage geht, wie man dem Mittelstand mehr Sichtbarkeit und Durchsetzungskraft geben könnte – das ist es nämlich, was er sich neben den vier Rahmenbedingungsforderungen bezüglich Steuergerechtigkeit, Bürokratie, Zugang zu Kapital und Personal am meisten wünscht. Ohne einen starken Mittelstand als Kern einer notwenigen „runden Gesellschaft“ wird Österreich und Europa in Polarisierung, Populismus, Spaltung, Ressourcenkämpfe und wirtschaftlichen wie umweltmäßigen Abstieg rutschen.

Wolfgang Lusak


 

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