Entwicklung der Mittelschicht in Ö und D

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    Entwicklung der Mittelschicht in Ö und D

    Ganz tolle Studie über d

    Wie die Partner und Follower der Lobby der Mitte mitbekommen haben, beschäftigen wir uns längst nicht nur mehr mit dem unternehmerischen Mittelstand, sondern auch mit der überwiegend unselbständig erwerbstätigen Mittelschicht (den Menschen mit durchschnittlichem Einkommen). Weil diese Mittelschicht oft die Werte des Mittelstandes, Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit & Fairness teilt. Weil sie oft aus den Familienmitgliedern, Mitarbeitern, Partnern, Freunden und Bekannten von KMU-Eignern und Eignerinnen besteht. Weil sie gemeinsam die Extrempositionen von Rechts- und Linksaußen ablehnen. 

    Den letzten Satz dieser Studie möchten wir hier gleich zu Beginn anführen und den verantwortlichen politischen Ignoranten ins Stammbuch schreiben: „Wenn eine immer kleiner werdende Mittelschicht die großen demografischen Lasten schultern muss, besteht die Gefahr, dass diese auf Dauer immer mehr erodiert.“

     

    Wir untersuchen die Mittelschicht in Österreich und Deutschland, wobei ein besonderer Fokus auf den Veränderungen der vergangenen 20 Jahre liegt. Es wird gezeigt, dass sich die Mittelschicht in Deutschland und Österreich in ihrer Zusammensetzung hinsichtlich Bildung, Familienkonstellationen und Alter verändert hat, aber immer noch in beiden Ländern, in Österreich etwas mehr als in Deutschland, den Großteil der Bevölkerung umfasst. Anschließend analysieren wir die Bedeutung der Mittelschicht für den Sozialstaat beider Länder.

    Menschen verorten sich oft in der Mittelschicht der Gesellschaft, obwohl sie, gemessen an ihrem Einkommen oder Vermögen, höheren oder niedrigeren Einkommensschichten zuzuordnen wären (Fessler et al., 2019; Niehues und Stockhausen, 2019). Eine breite Mittelschicht ist aber nicht nur individuell erstrebenswert, sondern auch von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. So zeigt sich, dass in Ländern mit einer breiten Mittelschicht die soziale Mobilität höher ausgeprägt ist (OECD, 2018). Menschen, die zur Mittelschicht gehören, investieren mehr in ihre Bildung, stehen entsprechend als gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung und tragen auch positiv zu Innovationen und Unternehmertum bei (Brücker et al., 2018; Chun et al., 2011; Doepke und Zilibotti, 2005). Zudem wirkt eine breite Mittelschicht auch in Krisenzeiten stabilisierend: So waren in der vergangenen Wirtschafts- und Finanzkrise die Einkommensverluste der Mittelschicht geringer als jene der niedrigeren und höheren Einkommen (OECD, 2019).1 Insgesamt wachsen die Einkommen in der Mittelschicht aber langsamer als die der oberen 10 % der Einkommensverteilung, aber auch deutlich stärker als die der unteren 10 % (OECD, 2019).

    Abgrenzung und Definition der Mittelschicht

    Die Mittelschicht kann auf Basis des Vermögens oder anhand des Einkommens definiert werden (Piketty, 2018; OECD, 2019). Die entscheidende Größe zur Finanzierung des alltäglichen Lebens ist das verfügbare Einkommen. Entsprechend wird dieses zumeist herangezogen, um die Mittelschicht einzugrenzen (Grabka et al., 2016; Ravallion, 2010; Atkinson und Brandolini, 2013; OECD, 2015; Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2017).

    Aufgrund der unterschiedlichen Haushaltsgrößen und einer besseren Vergleichbarkeit bedarf es einer Äquivalisierung des verfügbaren Einkommens. Es werden also für eine Lebensgemeinschaft die gesamten Bruttoeinkünfte aus Arbeit und Kapital abzüglich der Steuern und Sozialabgaben und zuzüglich aller öffentlicher Transfers addiert. Dieses verfügbare Haushaltseinkommen wird auf alle Mitglieder eines Haushalts gemäß des Anpassungsfaktors der OECD, der das Haushaltseinkommen mit der Quadratwurzel der Haushaltsmitglieder gewichtet, verteilt.2

    Nach der Berechnung des äquivalisierten Einkommens muss die Mittelschicht definiert werden. In einem ersten Schritt wird das Medianeinkommen aus den äquivalisierten verfügbaren Einkommen ermittelt. Auf Basis der von uns herangezogenen Mittelschichtdefinition der OECD (2019) umfasst die Mittelschicht alle Personen, deren verfügbares Einkommen zwischen 75 % und 200 % des mittleren Einkommens liegen.3

    Veränderungen in der Mittelschicht in Österreich und Deutschland

    Um Veränderungen und Dynamiken in der Mittelschicht detaillierter zu identifizieren, werden die Daten der Luxembourg Income Study Database (LIS) herangezogen. Die LIS beinhaltet harmonisierte Daten unter anderem bezüglich Arbeits- und Kapitaleinkommen, Renten und Pensionen, öffentliche und private Transferleistungen und Steuern und Sozialversicherungsabgaben von über 50 Ländern und einen Zeitraum von über 50 Jahren.

    Auf Basis der Mittelschichtdefinition der OECD ergeben sich für die verschiedenen Haushaltstypen in Österreich und Deutschland die folgenden Einkommensunter- und Einkommensobergrenzen (vgl. Tabelle 1). So gehört in Österreich ein Singlehaushalt mit einem verfügbaren Einkommen zwischen 22.193 Euro und 59.067 Euro der Mittelschicht an. Bei einer klassischen Familie mit zwei Kindern steigen diese Grenzen auf 44.386 Euro und 118.133 Euro an. In Deutschland ist die Mittelschicht stärker konzentriert und weniger breit. Als Single erreicht man diese bereits mit 18.536 Euro und verlässt die Mitte in Richtung Oberschicht bei 49.419 Euro. Bei der klassischen Familie mit zwei Kindern liegen die Grenzen des verfügbaren Einkommens bei 37.072 Euro und 98.838 Euro.

    Tabelle 1
    Ober- und Untergrenzen des Einkommens für die Zugehörigkeit zur Mittelschicht
    Österreich
    Einpersonenhaushalt Paarhaushalt Familie mit einem Kind Familie mit zwei Kindern Familie mit drei Kindern
    Untergrenze (in Euro) 22.193 31.386 38.440 44.386 49.625
    Obergrenze (in Euro) 59.067 83.533 102.306 118.133 132.077
    Deutschland
    Einpersonenhaushalt Paarhaushalt Familie mit einem Kind Familie mit zwei Kindern Familie mit drei Kindern
    Untergrenze (in Euro) 18.536 26.214 32.105 37.072 41.448
    Obergrenze (in Euro) 49.419 69.889 85.596 98.838 110.504

    Die Untergrenze (Obergrenze) definiert sich bei 75 % (200 %) des mittleren verfügbaren äquivalisierten Haushaltseinkommens. Für Österreich sind alle monetären Werte in Euro des Jahres 2019 ausgedrückt. Für Deutschland in Euro des Jahres 2018.

    Quelle: LIS Cross-National Data Centre (2022).

    Die historische Entwicklung der Mittelschicht in Österreich und Deutschland zeigt, dass deren Einkommen mit der Zeit ansteigen. In Österreich und Deutschland hat sich im Zeitablauf die Ober- und Untergrenze – selbst inflationsbereinigt – nach oben verschoben. So lag in Österreich im Jahr 2000 die Untergrenze der Mittelschicht bei 18.805 Euro und die Obergrenze bei 49.847 Euro.4 2019 lag die Untergrenze bei 22.193 Euro und die Obergrenze bei 59.067 Euro. In Deutschland haben sich die Grenzen von 16.803 Euro und 44.800 Euro im Jahr 2000 auf 18.536 Euro und 49.419 Euro im Jahr 2018 erhöht.5 Es lässt sich entsprechend konstatieren, dass die realen Einkommen der Mittelschicht in beiden Ländern über die Zeit gestiegen sind.

    Ein Vergleich über die Zeit zeigt, dass die realen äquivalisierten Haushaltseinkommen in Österreich (vgl. Abbildung 1) und Deutschland (vgl. Abbildung 2) in den vergangenen 20 Jahren gestiegen sind und sich die entsprechenden Einkommensverteilungen nach rechts verschoben haben. So ist das inflationsbereinigte äquivalisierte Medianeinkommen in Österreich von rund 25.073 Euro im Jahr 2000 auf 29.591 Euro im Jahr 2019 gestiegen. In Deutschland lag das inflationsbereinigte äquivalisierte Medianeinkommen im Jahr 2000 bei 22.404 Euro und im Jahr 2018 bei 24.715 Euro.6

    Abbildung 1
    Verteilung des verfügbaren äquivalisierten Haushaltseinkommens in Österreich
    Abbildung 1

    Die verfügbaren äquivalisierten Haushaltseinkommen sind zum Basisjahr 2019 inflationsbereinigt. Die Berechnungen erfolgen in 5.000-Schritten. Die höchste Gruppe umfasst alle Haushaltseinkommen von 150.000 und darüber.

    Quellen: LIS Cross-National Data Centre (2022); Statistik Austria (2022); eigene Berechnungen.

    Abbildung 2
    Verteilung des verfügbaren äquivalisierten Haushaltseinkommens in Deutschland
    Abbildung 2

    Die verfügbaren äquivalisierten Haushaltseinkommen sind zum Basisjahr 2018 inflationsbereinigt. Die Berechnungen erfolgen in 5.000-Schritten. Die höchste Gruppe umfasst alle Haushaltseinkommen von 150.000 und darüber.

    Quellen: LIS Cross-National Data Centre (2022); Statistisches Bundesamt (2022); eigene Berechnungen.

    Da die Mittelschicht als relatives Maß definiert ist, sagt eine Rechtsverschiebung der Einkommensverteilung und ein Anstieg des Medianeinkommens nicht direkt etwas über die Größe der Mittelschicht aus. Betrachtet man die Entwicklung der Mittelschicht explizit über die Zeit, zeigt sich, dass in der Alpenrepublik der Anteil der Menschen, die zur Mittelschicht gehören, in den vergangenen 20 Jahren annähernd konstant zwischen 65,8 % und 68,9 % lag. In Deutschland lag der Anteil der Mittelschicht im Jahr 2000 noch bei knapp unter 70 %. Seit 2005 liegt dieser mit rund 64 % etwas darunter. Gleichzeitig stieg der Anteil der Personen unter 75 % des Medianeinkommens leicht an. In Österreich blieb der Anteil der Personen mit weniger als 75 % des Medianeinkommens weitgehend konstant. Der Anteil der sehr einkommensstarken Personen mit über 200 % des Medianeinkommens ist in beiden Ländern relativ stabil (vgl. Tabelle 2).

    Tabelle 2
    Bevölkerungsanteile in verschiedenen Einkommensklassen
    Einkommensarm Armutsgefährdet Untere Mitte Mittlere Mitte Obere Mitte Hohe Einkommen
    Österreich
    2019 10,0 16,3 23,7 31,5 12,2 6,3
    2015 8,7 19,4 21,9 32,2 11,7 6,1
    2010 9,0 18,2 22,7 30,6 12,2 7,1
    2005 7,6 18,1 24,3 32,5 11,7 5,8
    2000 7,8 17,8 24,3 33,2 11,4 5,5
    Deutschland
    2018 10,0 18,2 21,9 31,6 11,0 7,4
    2015 9,8 18,3 21,9 30,2 12,1 7,6
    2010 9,4 19,6 21,0 31,0 11,6 7,4
    2005 9,1 18,5 22,4 31,1 11,3 7,6
    2000 7,4 17,2 25,5 32,9 10,9 6,2

    Einkommensarm = weniger als 50 %, armutsgefährdet = 50 % bis 75 %, mittlere Einkommen = 75 % bis 200 %, hohe Einkommen = mehr als 200 %. Die Prozentzahlen beziehen sich jeweils auf den Median des äquivalisierten verfügbarem Haushaltseinkommen. Die angegebenen Werte bezeichnen jeweils den relativen Anteil in %.

    Quelle: LIS Cross-National Data Centre (2022); eigene Berechnungen.

    Abseits der Größe der Mittelschicht hat sich die soziodemografische Zusammensetzung über die Zeit wesentlich verändert. Mit dem demografischen Wandel finden sich in der mittleren Einkommensschicht in beiden Ländern immer mehr ältere Personen. Der Anstieg ist in Deutschland ausgeprägter als in Österreich, was an der in Deutschland stärker ausgeprägten Alterung der Gesellschaft liegen mag (vgl. Tabelle 3). Spiegelbildlich geht in beiden Ländern der Anteil der jüngeren Kohorten an der Mittelschicht zurück.

    Tabelle 3
    Demografie, Haushaltsformen und formale Bildung von Personen in der Mittelschicht
    Österreich Deutschland
    2000 2010 2019 2000 2010 2018
    Demografie
    0 bis 20 Jährige 22,2 20,9 19,5 21,5 18,3 18,3
    20-30 Jährige 13,3 12,4 11,5 9,8 9,3 8,9
    30-40 Jährige 17,4 12,3 14,3 18,1 11,6 11,0
    40-50 Jährige 15,0 19,5 13,7 15,8 18,6 13,3
    50-60 Jährige 13,2 14,1 16,9 12,9 15,8 18,1
    60+ Jährige 18,9 21,1 24,1 21,9 26,4 30,4
    Haushaltstypen
    Einpersonenhaushalt 11,2 12,3 13,7 13,8 15,5 16,4
    Paare ohne Kinder 18,2 21,7 25,0 28,0 30,2 31,3
    Paare mit Kindern 52,9 49,0 47,6 50,8 47,4 44,0
    Alleinerziehend mit Kindern 6,9 5,1 3,8 3,9 4,5 4,7
    Sonstige 10,8 11,9 9,8 3,5 2,5 3,5
    Formale Bildung
    Niedrige Bildung 24,2 22,3 15,2 14,4 12,5 11,7
    Mittlere Bildung 67,0 61,7 67,0 62,5 60,1 56,8
    Hohe Bildung 8,7 16,0 17,8 23,1 27,3 31,6

    Die angegebenen Werte bezeichnen jeweils den relativen Anteil in %. Als hohe Bildung gelten die ISECD 2011 Niveaus 5 bis 8, als mittlere Bildung die Niveaus 3 und 4 und als niedrige Bildung die Niveaus 0 bis 2.

    Quelle: LIS Cross-National Data Centre (2022), eigene Berechnungen.

    Die dominante Haushaltsform der Mittelschicht ist nach wie vor das Paar mit Kindern. Der Anteil ist allerdings rückläufig. So lag dieser im Jahr 2000 in Österreich noch bei 52,9 % und in Deutschland bei 50,8 % (vgl. Tabelle 3). Am aktuellen Rand liegt der Anteil nur noch bei 47,6 % in Österreich und 44,0 % in Deutschland. Gleichzeitig ist der Anteil der Einpersonenhaushalte und der Paare ohne Kinder angestiegen.

    In Österreich ist in den vergangenen Jahrzehnten das durchschnittliche formale Bildungsniveau in der Mittelschicht gestiegen.7 Der Anteil an Personen mit mittlerem Qualifikationsniveau in der Mittelschicht ist gleichgeblieben. Personen mit niedrigem Bildungsniveau waren seltener in der Mittelschicht zu finden, Personen mit hohem Bildungsabschluss dafür häufiger. So hat sich in Österreich der Anteil an Personen mit hoher Bildung von 8,7 % auf 17,8 % mehr als verdoppelt. In Deutschland wiederum ist der Anteil an Personen mit hoher Bildung in der Mittelschicht von einem deutlich höheren Niveau aus noch weiter gestiegen. Fast jede dritte Person der Mittelschicht verfügt hier über einen Hochschulabschluss. Der Anteil der mittleren Bildung ist aber in Deutschland ebenso rückläufig wie der Anteil mit niedrigem Bildungsabschluss (vgl. Tabelle 3).

    Analog zum Befund für die Mittelschicht verwundert es nicht, dass der Anteil der mittel- und hochqualifizierten Personen in der einkommensarmen Einkommensschicht in beiden Ländern steigt. So hatten in Österreich im Jahr 2000 nur 8,1 % eine formal hohe Bildung und 46,6 % einen mittleren Bildungsabschluss. Im Jahr 2019 waren schon 15,3 % hochqualifiziert und 53,4 % hatten einen mittleren Bildungsabschluss. In Deutschland ist die Tendenz nicht ganz so eindeutig. So ist unter den einkommensarmen Personen der Anteil von Hochqualifizierten von 11,2 % im Jahr 2000 auf 15,7 % im Jahr 2018 gestiegen, der Anteil mit mittlerem Bildungsabschluss ist aber leicht von 55,4 % auf 52,8 % zurückgegangen.

    Gleichzeitig ist es für Personen mit niedriger oder mittlerer formaler Bildung immer schwieriger, sehr hohe Einkommen zu erzielen. In Österreich ist der Anteil von niedrig Qualifizierten zwischen 2000 und 2019 von 10,9 % auf 5,3 % zurückgegangen. Bei Personen mit mittlerer formaler Bildung sank der Anteil von 64,6 % auf 50,4 %. In Deutschland zeigt sich der gleiche Trend. Hatten im Jahr 2000 noch 6,4 % der Personen mit hohem Einkommen eine niedrige formale Bildung waren es 2018 nur noch 3,8 %. Bei Personen mit mittlerem Bildungsabschluss sank der Anteil von 44,8 % auf 33,1 %.

    Die Bedeutung der Mittelschicht im Sozialstaat

    Nach der Vermessung der Mittelschicht in Deutschland und Österreich soll nun die Bedeutung der Mittelschicht für eine Gesellschaft dargelegt werden. Eine breite Mitte ist oftmals ein Indiz für einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt eines Landes (Kelly, 2000; Lynch und Kaplan, 1997; Thorson, 2014). Auch die Einkommensmobilität eines Landes profitiert von der Breite der Mittelschicht (OECD, 2018). Einen wesentlichen Einfluss auf die Durchlässigkeit hat dabei der Sozialstaat. Zum einen ist die Progression bei den Steuern und Abgaben dafür ausschlaggebend, inwiefern sich höhere Löhne auch in gestiegenen verfügbaren Haushaltseinkommen niederschlagen. Zum anderen unterstützt der Staat mit Geld und Sachleistungen und erhöht damit bei den Rezipient:innen der Transfers das verfügbare Einkommen.

    Betrachtet man in beiden Ländern nur die monetären Ströme, so zeigt sich ein eindeutiger Befund. Unter der ausschließlichen Berücksichtigung von direkten Steuern und Abgaben sowie den monetären Transferzahlungen zählt die Mittelschicht in Deutschland als Nettozahlerin (OECD, 2021a). Die detaillierte Analyse für Österreich bestätigt diesen Befund auch für die Alpenrepublik. Auch hier übersteigen die direkten Steuern und Abgaben die monetären Transferleistungen der Mittelschicht (Perzentile 26 bis 93) deutlich (vgl. Abbildung 3) (Christl et al., 2022b).

    Abbildung 3
    Steuern und Abgaben sowie monetäre Transferleistungen in Österreich
    in Euro
    Abbildung 3

    Sonstige Geldtransferleistungen umfassen Familienleistungen, Wohnbeihilfe und Geldleistungen für Gesundheit. Direkte Steuern beinhalten Steuern auf Arbeit, Kapitalerträge und Vermögenseinkommen.

    Quelle: Christl et al. (2020).

    Etwas differenzierter wird das Bild, wenn auch indirekte Steuern sowie Sachleistungen wie Bildung und Gesundheit Berücksichtigung finden (vgl. Abbildung 4). Insgesamt stellt sich auch hier die Mittelschicht als Nettozahlerin heraus, allerdings zählt die untere Mittelschicht noch zu den Nettoempfängern.

    Abbildung 4
    Direkte und indirekte Steuern und Abgaben sowie monetäre Transferleistungen in Österreich
    in Euro
    Abbildung 4

    Sonstige Geldtransferleistungen umfassen Familienleistungen, Wohnbeihilfe und Geldleistungen für Gesundheit. Direkte Steuern beinhalten Steuern auf Arbeit, Kapitalerträge und Vermögenseinkommen. Zu den indirekten Steuern zählen Steuern auf Konsum (z. B. Mehrwert- und Tabaksteuer).

    Quelle: Christl et al. (2020).

    Eine entscheidende Rolle spielt der Sozialstaat auch bei den Auswirkungen der Coronapandemie für die Mittelschicht. Die Coronakrise führte in (fast) allen Ländern der Welt zu Wohlstandsverlusten (OECD, 2021b). In Deutschland und Österreich konnte der Sozialstaat allerdings die Auswirkungen des Wirtschaftseinbruchs auf die Haushaltseinkommen zu einem erheblichen Teil mildern. Dies liegt zu großen Teilen an den automatischen Stabilisatoren, die Einkommensverluste infolge des Jobverlusts deutlich abfedern.8

    Der Coronaschock wirkte in beiden Ländern regressiv auf die Einkommensverteilung. Christl et. al (2022a) zeigen für Österreich und Christl et al. (2022b) für Deutschland, dass durch die ergriffenen Maßnahmen aber die Einkommens­einbußen weitestgehend ausgeglichen werden konnten. Aufgrund der Einmalzahlung für Arbeitslose konnten sich Personen im untersten Einkommensdezil in Österreich sogar verbessern.

    Im ersten Jahr der Pandemie 2020 kam insbesondere auch der Kurzarbeit eine tragende Rolle zur Erhaltung der Kaufkraft der Beschäftigten zu. In diesem Zeitraum stieg in Deutschland die Zahl der Menschen in Kurzarbeit auf über 6 Mio. an, in Österreich waren es mehr als 1 Mio. Arbeitnehmer:innen (Christl et al., 2022a; Christl et al., 2022b). Zusätzlich wurde in beiden Ländern eine Einmalzahlung für Kinder getätigt. Weitere Sozialleistungen waren eine Steuererleichterung für Alleinerziehende in Deutschland oder Einmalzahlungen an Arbeitslose in Österreich.

    Herausforderungen für eine stabile Mittelschicht

    Wenngleich sich die Mittelschicht in Österreich und Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten als überaus widerstandsfähig erwiesen hat, so gibt es dennoch einige Entwicklungen und Trends abseits der Coronapandemie und des aktuellen Kriegsgeschehens, die eine Herausforderung für die Resilienz der Mittelschicht darstellen. Zukünftig wird es für Menschen ohne entsprechende Qualifikation vermutlich immer schwieriger, mittlere oder hohe Einkommen zu erzielen. Zwar ist eine gute formale Ausbildung keine Garantie für ein höheres Einkommen mehr, aber ohne Bildung ist dies fast ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund eines immer vernetzteren und digitalisierteren Wirtschaftslebens.

    Auch die demografische Entwicklung wird zu einer Herausforderung. Die Gesellschaften in Deutschland und Österreich werden unaufhaltsam älter. Während in Österreich die demografische Situation durch Zuwanderung ein wenig entschärft werden konnte, ist dies in Deutschland nicht zuletzt wegen der Größe nicht der Fall. Diese Verschiebung wird zwar einerseits zu einer besseren Arbeitsmarktsituation der jungen Generation führen, andererseits werden aber gleichzeitig die Ausgaben für Renten, Gesundheit und Pflege ansteigen. Hinzu kommt, dass alternde Volkswirtschaften meist weniger dynamisch sind und mit geringerer gesamtwirtschaftlicher Produktivität und einem geringeren Wachstum einhergehen (Bloom et al., 2000; Persson, 2004; oder Aiyar und Ebke, 2016).

    Damit die Mittelschicht in Deutschland und Österreich auch zukünftig stark und resilient bleibt, darf die Wirtschaftspolitik diese Herausforderungen nicht aus den Augen verlieren. Lebenslange (Weiter-)Bildung muss möglich sein und auch gefördert werden. Ebenso sollten Anstrengungen ergriffen werden, damit das Arbeitsangebot breiter wird. Wenn eine immer kleiner werdende Mittelschicht die großen demografischen Lasten schultern muss, besteht die Gefahr, dass diese auf Dauer immer mehr erodiert.

    • 1Eine breite Datenbasis der Auswirkungen der Coronakrise auf die Mittelschicht liegt noch nicht vor.
    • 2Neben dem Anpassungsfaktor der OECD wird häufig auch noch die sogenannte EU-Skala für Äquivalisierung der Einkommen auf Haushaltsebene verwendet. Der ersten Person im Haushalt wird dabei das Gewicht 1,0 zugewiesen. Jede weitere Person mit mindestens 14 Jahren erhält das Gewicht 0,5, jeder Person jünger als 14 Jahre erhält das Gewicht 0,3.
    • 3Es existieren noch zahlreiche andere Abgrenzungen der Mittelschicht. Diese unterscheiden sich hauptsächlich hinsichtlich der Einkommensgrenzen rund um ein äquivalentgewichtetes mittleres Einkommen (Atkinson und Brandolini, 2013; Goebel et al., 2010; Grabka et al., 2016; OECD, 2015; Ravallion, 2010; Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 2017).
    • 4Gemessen als verfügbares äquivalisiertes Haushaltseinkommen in Euro des Jahres 2019.
    • 5Gemessen als verfügbares äquivalisiertes Haushaltseinkommen in Euro des Jahres 2018.
    • 6Es wurde das jeweils aktuell verfügbare Jahr verwendet.
    • 7Als hohe Bildung gelten die ISECD 2011 Niveaus 5 bis 8, als mittlere Bildung die Niveaus 3 und 4 und als niedrige Bildung die Niveaus 0 bis 2 (Metis, 2022).
    • 8Die Wirkungsmächtigkeit der automatischen Stabilisatoren liegt in Deutschland knapp über EU-Durchschnitt und in Österreich mit Rang sieben von 27 EU-Mitgliedstaaten deutlich darüber (Mourre et al., 2019).

    Literatur

    Aiyar, S. und C. H. Ebeke (2016), The impact of workforce aging on European productivity, Working Paper, Nr. 238, International Monetary Fund, https://www.imf.org/external/pubs/ft/wp/2016/wp16238.pdf (4. August 2022).

    Atkinson, A. B. und A. Brandolini (2013), On the Identification of the Middle Class, in J. C. Gornick und M. Jäntti (Hrsg.), Income Inequality: Economic Disparities and the Middle Class in Affluent Countries, Stanford University Press, 77-100.

    Bloom, D. E., D. Canning und P. N. Malaney (2000), Population Dynamics and Economic Growth in Asia, Population and Development Review, 26, 257-290.

    Brücker M., E. Dabla-Norris, M. Gradstein und D. Lederman (2018), The Rise of the Middle Class and Economic Growth in ASEAN, Journal of Asian Economics, 56, 48-58.

    Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (2017), SOZIALBERICHT, Sozialpolitische Entwicklungen und Maßnahmen 2015-2016, Sozialpolitische Analysen.

    Christl, M., M. Köppl–Turyna, H. Lorenz und D. Kucsera (2020), Redistribution within the tax-benefits system in Austria, Economic Analysis and Policy, 68, 250-264.

    Christl, M., S. De Poli, D. Kucsera und H. Lorenz (2022a), COVID-19 and (gender) inequality in income: the impact of discretionary policy measures in Austria, Swiss Journal of Economics Statistics, 158(1), 1-17.

    Christl, M., S. D. Poli, T. Hufkens, A. Peichl und M. Ricci (2022b), The role of short‐time work and discretionary policy measures in mitigating the effects of the COVID‐19 crisis in Germany, International and Tax Public Finance, 1-30.

    Chun, N., R. Hasan und M. Ulubasoglu (2011), The Role of the Middle Class in Economic Development: What Do Cross-Country Data Show?, ADB Economics Working Paper Series, Nr. 245, Asian Development Bank.

    Doepke, M. und F. Zilibotti (2005), Social Class and the Spirit of Capitalism, Journal of the European Economic Association, 3(2-3), 516-524.

    Fessler, P., P. Lindner und M. Schürz (2019), Eurosystem Household Finance and Consumption Survey 2017 for Austria, Monetary Policy & the Economy, (Q4/18), 36-66.

    Grabka, M., J. Goebel, C. Schröder und J. Schupp (2016), Mittlere Einkommen in Deutschland und den USA, DIW Wochenbericht, 18/2016, 391-416.

    Goebel, J., G. Martin und H. Häußermann (2010), Polarisierung der Einkommen: Die Mittelschicht verliert, DIW Wochenbericht, 24/2010, 2-8.

    Kelly, M. (2000), Inequality and Crime, Review of Economics and Statistics, 82(4), 530-539.

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    Metis (2022), Highes Completed Education Level, http://www.lisdatacenter.org/frontend#/database/1/selection (4. August 2022).

    Mourre, G., A. Poissonnier und M. Lausegger (2019), The Semi-Elasticities Underlying the Cyclically-Adjusted Budget Balance: An Update and Further Analysis, European Economy Discussion Paper, 098.

    Niehues, J. und M. Stockhausen (2019), Einkommensverteilung nach sozioökonomischen Teilgruppen, IW-Kurzbericht, 53, IW Köln.

    OECD (2015), All on Board: Making Inclusive Growth Happen, OECD Publishing.

    OECD (2018), A Broken Social Elevator? How to Promote Social Mobility, OECD Publishing.

    OECD (2019), Under Pressure: The Squeezed Middle Class, OECD Publishing.

    OECD (2021a), Is the German Middle Class Crumbling? Risks and Opportunities, OECD Publishing.

    OECD (2021b), OECD Economic Outlook No 110 (Edition 2021/2), OECD Economic Outlook: Statistics and Projections (database).

    Persson, J. (2004), Demographics, Human Capital, and Economic Growth: A Study of US States 1930-2000, Working Paper, Nr. 7, Örebro University.

    Piketty, T. (2018), Capital in the Twenty-First Century, Harvard University Press.

    Ravallion, M. (2010), The developing world’s bulging (but vulnerable) middle class, World development, 38(4), 445-454.

    Thorson, G. (2014), The Rise of Inequality, the Decline of the Middle Class, and Educational Outcomes, Working Paper, University of Redlands.

    Title:The Development of the Middle Class in Austria and Germany

    Abstract:We examine the changes and evolution of the middle class in Austria and Germany over the past 20 years. During that period, the middle class in Germany and Austria has changed in terms of education, family constellations and age. In both countries, however, a large part of the population still belongs to the middle class. In Austria, the percentage of people in the middle class appears to be stable and is slightly higher than in Germany. During the COVID-19 crisis, discretionary policy measures have been effective in limiting welfare losses for the middle class. Finally, we analyse the importance of the middle class for the welfare state of both countries.

     

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    FAIR SLEEP ERREICHT 1200 BETTEN-GRENZE!

    Ein langjährige Partner der Lobby der Mitte, Tankstellen- und Hotel-Unternehmer Andreas Weber hat neuerlich eine tolle Erfolgsmarke als Gründer und -Manager der Fair Sleep-Hotel-Kooperation erreicht. Wir freuen uns mit ihm und bringen gerne seinen Bericht über die Eröffnung des neuen Fair Sleep AVIA Motels Zwettel, welches diesen weiteren Durchbruch ermöglicht hat. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich mittelständische Betriebe trotz Krisen und Konkurrenz von Hotel-Konzernen mit klugen Alleinstellungsmerkmalen am Markt – in diesem Fall im ländlichen Raum – durchsetzen können. Bravo!

    FAIR SLEEP ERREICHT 1200 BETTEN-GRENZE!

    Mit Jahresbeginn 2024 ging mit dem AVIA Motel Zwettl der achtzehnte FairSleep Partnerbetrieb ans Netz. FS erreicht damit die 1200 Betten Grenze.

    Foto von links: Stefan Graf (Geschäftsführer Leyrer & Graf), Andreas Weber (Fairsleep Hotels & Motels), Tom Bauer (Geschäftsführer Destination Waldviertel GmbH), Thomas Traxler (Geschäftsführer Franz Eigl GmbH) Fotocredit: Franz Eigl GmbH / Fotograf: Claus Schindler

    Nach Gmünd (2006) und Bisamberg (2018) eröffnet nun das dritte AVIA Motel im Anschluss an eine Tankstelle in Zwettl in Kooperation mit den FairSleep Hotels&Motels. Dabei werden die Synergien mit einem 365 Tage geöffneten Betrieb der Tankstelle gehoben. Nichtsdestotrotz setzt das Motel auf die Digitalisierung mit einem 24 Stunden Check-in Kiosk. Die Möglichkeiten der Onlinebuchung und des Check-ins mittels QR-Code entsprechen den heutigen Anforderungen der Gäste. Kurzentschlossene können somit auch einfach und zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Zimmer belegen.

    Mit 23 Zimmern, davon 10 Premium Zimmer mit Tempurmatratzen und Ausziehcouch (auch als Familienzimmer nutzbar), 12 Smart (Komfort) Zimmer und einem barrierefreien Zimmer, bietet das Motel komfortable Übernachtungsmöglichkeiten für Urlauber, Familien und Berufsreisende.

    AVIA Eigl Geschäftsführer Thomas Traxler hebt bei einem ersten Rundgang im neuen AVIA Motel hervor, dass das Motel auf nachhaltige Technologien setzt. „Die Heizung wird mittels einer Wärmepumpe betrieben und sorgt für Wärme im Winter und Kühlung im Sommer. Nachhaltig ist auch die Erzeugung des Warmwasser für die Bäder über die Wärmepumpe mittels PV-Strom. Dank dieser 100 kWP PV-Anlage am Dach wird der Strombedarf des Gebäudes auch weitestgehend durch erneuerbare Energie gedeckt. Darüber hinaus stehen 6 E-Ladestationen direkt bei den Motel Parkplätzen unseren Gästen zur Verfügung. Ebenso bietet das Motel eine Fahrradgarage mit kostenlosen Lademöglichkeiten für E-Bikes“, so Traxler.

    Hinter der Errichtung des AVIA Motels Zwettl steht das renommierte Bauunternehmen Leyrer+Graf aus Gmünd als Generalunternehmer. CEO Stefan Graf überzeugte sich persönlich von der herausragenden Arbeit seines Teams, das den Bau in kurzer Bauzeit von 10 Monaten abgeschlossen hat. Für die Inneneinrichtung ist der FairSleep Mitgründer und Markeneigentümer Schrenk aus Vitis verantwortlich.

    Beim persönlichen Besuch und Kennenlernen des FairSleep AVIA Motels Zwettl von Tom Bauer, Geschäftsführer der Tourismusdestination Waldviertel, hält dieser fest: „Es freut mich ungemein, dass wir in unserem Waldviertel nun einen weiteren Beherbergungsbetrieb unseren treuen und neuen Gästen anbieten können. Mit AVIA Eigl und Andreas Weber von FairSleep, die entsprechend Ihrem Credo preisgünstige Hotels & Motels für Gäste, die gut schlafen und ausgeruht am nächsten Tag ‚weitertouren‘ wollen, wissen wir starke und zukunftsorientierte Partner, die unsere touristischen Entwicklungen unterstützen und stärken, an unsere Seite.“


    ZUR INFO

    Die FAIR SLEEP-Gruppe bietet dazu Unterstützung bei Businessplanrechnung, Betriebskonzept, Finanzierungstipps, Hilfe beim Marketingkonzept und ein komplettes Synergie-Angebot mit Einkaufsgemeinschaft, Marketing, Werbung, PR etc. Gerade für Quereinsteiger bietet diese Kooperation zahlreiche Vorteile. Auch für eine finanzierende Bank gibt die Einbindung in die FairSleep Kooperation eine Sicherheit.

    Die Vorteile der FAIR SLEEP-Koop-Mitglieder:

    • Schlüsselfertiges Motel, komplett aus einer Hand
    • Flexibel & standortgerecht errichtet
    •             Transparente Planung, klare Leistungen
    • Fixe Investitions- und geringe Betriebskosten
    • Professionelle Beratung bezüglich Standort, Grundstück, Gestaltung, Bau, Finanzierung
    • Durchdachte zweckmäßige Einrichtung
    • Kurze Bauzeit und fixe Termine
    • Beste Chancen auf hohe Gäste-Frequenz und solides Einkommen

    FAIR SLEEP Kooperation:

    Gründung 2011, 2024: 18 Mitgliedsbetriebe mit 450 Zimmern, 1.200 Betten in Ö und BRD

    FS Markeneigentümer und Lizenzgeber: A. Weber GmbH, Schrenk GmbH, Gerald Wurz e.U.

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    ANDREAS WEBER
    Kooperationsleiter

    FairSleep Hotels & Motels, A. Weber GmbH

    Prof. Krejci Graf Str. 2   A-3950 Gmünd
    Tel +43 664 1313111
    info@fairsleep-hotels.com
    www.fairsleep-hotels.com  www.fairsleep-motels.com 

     

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    DIE MUNDTOT GEMACHTEN

    Gastkommentar, Leserbrief & Blogbeitrag von Wolfgang Lusak anlässlich der Demonstrationen gegen Rechts in Deutschland und dem voran gegangenen Rechtsextremen-Treffen in Potsdam
    25.1.2024 – er wurde am 30.1.24 auch von DIE PRESSE veröffentlicht.

    DIE MUNDTOT GEMACHTE MITTE (UND MEHRHEIT)

    Es gibt viele Fragen, die nach dem Rechtsextremen-Treffen in Potsdam und den daraufhin erfolgten Massendemonstrationen in Deutschland zu stellen sind. Fragen aus der Mitte der Gesellschaft.

    Soll ein Bundespräsident Massendemonstrationen loben, wenn dort Plakate wie „gegen Rechts“ und „Die ganze Stadt hasst AfD“ hochgehalten werden? Wird da bewusst zwischen rechts und rechtsextrem nicht unterschieden? Ist nur alles gut was Links ist? Gibt es guten und bösen Hass? Ist es sachlich richtig und journalistisch korrekt, wenn Kommentatoren in Medien hunderttausende Protestierende als „schweigende Mehrheit“ bezeichnen? Freut sich da nicht eine überwiegend linksorientierte Regierung von den Schwächen ihrer Politik ablenken und ihre Anhänger mobilisieren zu können – ganz gleich ob dabei auch Linksextreme die Demos befeuern?

    Ist nicht jede Art von Extremismus und Demokratiefeindlichkeit abzulehnen, gleich ob sie von rechts oder links kommt? Gehören die Begriffe „Rechts“ und „Links“ nicht zu den Fundamenten einer sozialen wie freien Gesellschaft, weil sie jedem Menschen die Möglichkeit geben, eine Entscheidung nach seinem Gewissen zu treffen? Eine Entscheidung darüber, welche geografische, technische oder politische Richtung er auf seinem Lebensweg einschlägt? Wird mit der beabsichtigten oder achtlosen öffentlichen Ächtung von „Rechts“ und der medialen Aufbereitung dieser Ächtung nicht alles was rechts ist in Misskredit gebracht?

    Mitte nur ein Punkt zwischen Links und Rechts

    Was glauben Sie, wie sich da die Mitte der Gesellschaft fühlt, wenn sie nicht als breiter, ausgewogen-wertvoller Mittelbau anerkannt wird, sondern nur als Punkt zwischen Links und Rechts? Wenn sie mit jeder ihrer maßvollen Äußerungen entweder als Faschist und Nazi oder als Gutmensch und Kommunist bezeichnet wird? Wie es sich anfühlt, wenn man durch die Ächtung von Rechts oder Links der Hälfte seines abwägenden Denkens, seiner Welt, seines Ichs beraubt zu werden droht? Oder wenn man gar von beiden Seiten mundtot gemacht wird? Ist es daher nicht nachvollziehbar, dass sich jemand, der sich immer zwischen links und rechts abwägend zur Mitte bekennt und von jedem Extremismus fernhält, durch polarisierende Massendemonstrationen genauso wie durch rassistische Remigrationspläne abgestoßen, negiert, ja vergewaltigt fühlt?

    Andererseits: Sind die Schaffung desBündnis Sahra Wagenknecht“ und die bevorstehende Parteigründung der „Werteunion“ in Deutschland nicht ein Indiz dafür, dass sich bisher extremistische Politik von zwei Seiten der Mitte annähern will? Versuchen nicht in Österreich die liberalen „NEOS“ sowie die mitte-links „Bierpartei“ Mitte-Wähler anzusprechen? Ist das vielleicht ein Signal für die nach Machterhalt strebenden traditionellen Parteien bei sich was zu ändern und nicht nur das Wort „Mitte“ in die Wahlwerbung aufzunehmen? Ein Hoffnungsschimmer für die wahre schweigende Mehrheit, die Mitte?


    Wolfgang Lusak ist Gründer der unabhängigen „Lobby der Mitte“ und Coach für die Durchsetzung von digital-nachhaltigen Innovationen von Mittelstandsbetrieben
    www.lobbydermitte.at  www.lusak.at

    Artikel die dazu passen:

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    Stoppt niemand die Pyramidenspieler?

    Die Signa-Insolvenz übertrifft alles bisher in Österreich Dagewesene. Manche staunen, welche Machenschaften da rund um Benko zu Tage traten, wie heftig die Signa-Insolvenzen die Wirtschaft trifft und letztlich uns alle. Viele wollen das schon lange vorausgesehen haben. Aber wenige, jedoch sehr maßgebliche Menschen haben vorher bis heute gar nicht reagiert! Da setzt der neue, wie immer genial treffsicher formulierte „Economist Insider“-Newsletter-Kommentar „Stoppt denn niemand die Pyramidenspieler?“ vom 9.1.24 von Josef Urschitz von DIE PRESSE ein. Und gerade heute, am 16.1.24 kommt bei mir noch ein 2. Newsletter von Urschitz zum gleichen Thema herein: „Und wir werden nichts daraus lernen“. Danke vielmals und großes Kompliment für beide Kommentare! Bitte lesen Sie also hier beide Kommentare hintereinander:

    1. Economist-Insider-Newsletter von Josef Urschitz vom 9.1.24

    Stoppt denn niemand die Pyramidenspieler?

    Na, bieten Sie auch schon mit? Es stehen derzeit ja höchst interessante Devotionalien zur Versteigerung an: René Benkos Klobesen aus dem Wiener Chefbüro etwa. Oder Türmatten mit der Aufschrift „Signa“. Beides gebraucht. So eine Chance, Erinnerungsstücke an die größte Insolvenz dieses Landes zu ergattern, hat man nicht alle Tage.

    Den kurzfristigen Kapitalbedarf von mehr als 300 Mio. Euro wird der eingesetzte Sanierer damit zwar nicht ganz decken. Aber auch Kleinvieh macht Mist, nicht wahr. Zudem kann man damit Geschäftigkeit zwecks Aufarbeitung der seltsamen Pleite signalisieren.

    Diese Geschäftigkeit vermissen wir derzeit schmerzlich bei der Aufarbeitung durch Aufsicht, Banken und Gesetzgeber. Offenbar findet es niemand komisch, dass man Hunderte Millionen von nicht existierenden, weil rein auf Basis von Bewertungsgutachten entstandenen Gewinnen ganz real an Aktionäre ausschütten (und damit dem Unternehmen Substanz entziehen) kann.

    Offenbar stört es auch niemanden, dass das in Österreich existierende Verbot, solche Scheingewinne zu Dividenden zu machen, auch für hier tätige Unternehmen ganz leicht zu umgehen ist. Und offensichtlich haben auch alle schon vergessen, dass genau dieser Mix aus Aufwertungsgewinnen und Nachbesicherungen von so aufgewerteten Immobilien vor 15 Jahren die größte Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg ursächlich ausgelöst hat.

    Es scheint auch niemanden zu jucken, dass man die „kleine GmbH“, die dazu gedacht war, Kleinunternehmen die teure Wirtschaftsprüfung zu ersparen, dafür missbrauchen kann, Milliarden-Holdings vor Bilanztransparenz zu bewahren. Und was sich die Geistesgröße von Gesetzesbastler dabei gedacht hat, 700 bis 4200 Euro als „Zwangsstrafe“ festzulegen, wenn bilanzpflichtige Milliarden-Unternehmen einfach ihre Abschlüsse nicht veröffentlichen, wollen wir gar nicht wissen. Das braucht ja der Firmenjet beim Anlassen der Triebwerke. Wirklich abschreckend, so was!

    Dass Aufsichtsräte nichts „beaufsichtigen“, sondern offenbar gemütliche, wenn auch gut bezahlte Plauderrunden sind, sind wir aus vergangenen Skandalen ohnehin schon gewohnt. Da gäbe es für Gesetzgeber, Aufsichtsbehörden und interne Bankenabläufe wirklich viel zu tun. Es passiert aber nichts. Offenbar lässt sich bei solchen Pyramidenspielen auf dem Weg zur Insolvenz zu viel verdienen, um da aktiv zu werden. Also: Warten wir halt auf die nächste konsequenzenlose Großpleite.

    Trotz allem einen schönen Tag

    Josef Urschitz

    josef.urschitz@diepresse.com

    2. Economist-Insider-Newsletter von Josef Urschitz vom 16.1.24:

    Und wir werden nichts daraus lernen

    Während in der Insolvenz der Signa-Gruppe – der größten, die die Republik je erlebt hat – jetzt die wahren Probleme diskutiert werden – etwa der sich in einer nachgebauten blauen Grotte im Badezimmer manifestierende fragwürdige Geschmack des Gründers René Benko –, wollen wir uns heute der nebensächlichen Frage widmen, ob so etwas ein einmaliges Ereignis ist oder ob es wieder passieren könnte. Die Antwort gleich vorweg: Ja, natürlich kann das wieder passieren. Jederzeit. Weil die dahinterstehenden Mechanismen immer die gleichen sind. Und der Mensch nun einmal aus der Geschichte nichts lernt.

    Einen kleinen Hinweis auf die dahinterstehenden Muster hat uns Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer neulich in einem ORF-Interview gegeben. Gusenbauer hat als Mehrfach-Aufsichtsratspräsident im verwinkelten Signa-Reich sowie als Berater und Geldbeschaffer Benkos eine recht wichtige Rolle in der Mega-Pleite gespielt. Seine Sicht auf sich selbst: Alles richtig gemacht. Schuld an allem ist die EZB.

    Die hat nämlich nicht nur die Zinsen erhöht und damit das unter anderem auf ewige Nullzinsen und Immobilienpreissteigerungen beruhende Luftschloss-Modell des Immobilien-Tycoons ins Wanken gebracht, sondern auch noch die Banken spät, aber doch vor dem einsturzbedrohten Pyramidenspiel aus Aufwertungen und Nachbesicherungen gewarnt und zu mehr Vorsicht bei der Kreditgewährung aufgefordert.

    Jetzt ist es nicht so, dass Gusenbauer nicht weiß, dass es weder ewige Nullzinsen noch ewige Immobilienpreissteigerungen geben kann und dass sich das sehr ertragreiche Aufwertungsmodell mit der gleichen Wucht ins Gegenteil verkehrt und zur finanziellen Massenvernichtungswaffe wird, wenn die Zinsen steigen und die Immo-Preise sinken. Immerhin hat es mit der Welt-Finanzkrise 2008 ja genug noch recht frisches Anschauungsmaterial dafür gegeben.

    Und es ist wohl auch nicht anzunehmen, dass die Investoren der Immobiliengruppe – durch die Bank sehr erfolgreiche Großunternehmer – mit der gleichen Naivität an die Niedrigzinsspekulation herangegangen sind wie so mancher Häuselbauer, der jetzt auf untragbar hohen flexiblen Kreditraten sitzt.

    Es war ihnen wahrscheinlich nur egal. Immerhin muss es durchaus möglich erschienen sein, vor dem absehbaren Crash nach einer unvermeidlichen Immobilienmarkt-Wende so viel herauszuholen, dass trotz weitgehenden Verlusts des ursprünglichen Investments immer noch ein Gewinn herausschaut.

    Die EZB hatte also wegen der Signa-Praktiken Alarm geschlagen. Aber so ein Konglomerat hat ja auch Aufsichtsräte. Alfred Gusenbauer zum Beispiel. Denen ist nichts aufgefallen?

    Dazu muss man wissen, dass der Aufsichtsrat de facto keine Kontrollinstanz ist, also nichts „beaufsichtigt“, sondern den verlängerten Arm der Eigentümer darstellt. Die bestellen die Mitglieder (mit Ausnahme der vom Betriebsrat entsandten). Die Aufsichtsräte sind zwar ebenso wie deren Chef weisungsfrei. Aber: „Es ist dennoch anerkannt, dass sie die Interessen der Entsender oder der nominierungsberechtigten Personen in die Gesellschaft einbringen“, vermeldet die einschlägige Literatur.

    Was also sollen die Armen machen? Sich auf die Hinterbeine stellen, wenn Konzernfirmen jahrelang keine Bilanzen legen oder wenn den Unternehmen Substanz durch die Ausschüttung fiktiver Aufwertungsgewinne an die Gesellschafter de facto entzogen wird? Dann ist das ja ihre letzte Funktionsperiode und sie sind weg vom lukrativen Futtertrog.

    Und auch von vielen anderen. Denn Ex-Politiker „kauft“ man sich ja nicht wegen ihrer überschäumenden wirtschaftlichen Expertise ein (obwohl ich die dem sehr umtriebigen Ex-Kanzler Gusenbauer wirklich nicht absprechen möchte), sondern wegen ihres übervollen Telefonbüchleins. Die darin vermerkten Kontakte lassen sich hervorragend für Lobbying und Geldbeschaffung verwerten. Das ist jetzt nichts Illegales oder Verwerfliches. Es ist einfach so.

    Es menschelt ja auch in der großen Wirtschaft. Dazu ein kleines Stück aus dem Nähkästchen: Abendessen eines Großunternehmers, schon einige Jahre zurückliegend. Anwesend: Bankengeneräle,  Baulöwen der oberen Kategorie und so weiter. Und ein junger Mann, der als Immobilienentwickler vorgestellt wird und von dem man einander hinter vorgehaltener Hand zutuschelt, er sei ein
    „g’schickter Bursch, womöglich der neue Benko“. Was dann geschieht, macht den ebenfalls anwesenden kleinen Maxi ein wenig ratlos: Mächtige Wirtschaftslenker umschwärmen den jungen Mann, der von seinen Plänen fabuliert, nach der Devise „Nimm doch bitte mein Geld“, „Nein, meines!“  Und man beginnt zu verstehen, wie ein junger Tiroler mit großen Plänen und noch größerem Selbstbewusstsein so problemlos zu Milliardenkrediten renommierter Banken (nicht nur österreichischer) gelangen konnte.

    So funktioniert Wirtschaft, und dieses zutiefst menschliche Streben nach Profiten, koste es, was es wolle, bringt durchaus auch Wesentliches hervor. Die Großinvestoren des Signa-Reichs haben ihre eigenen Konzerne ja selbst teilweise aus relativ kleinen Anfängen durch Ideen, Überzeugungskraft und Mut zu finanziellem Risiko aufgebaut.

    Dass allerdings ganz offenbar fragwürdige Geschäftsmodelle nicht einmal dann hinterfragt werden, wenn schon außenstehende Organisationen wie die EZB Alarm schreien, ist eine der Schattenseiten dieses Systems. Und dass es de facto keine Kontrollinstanzen gibt, die da die Notbremse ziehen, ein Weiteres.

    Wir werden diese Riesenpleite ohne Systemkrise überstehen. Und wir werden nichts daraus lernen. Spätestens beim nächsten Immobilienboom, der ebenso sicher kommt wie der nächste Immobilienpreisverfall, werden wir dieses Spiel wieder beobachten. Und uns erneut wundern, wie das alles hat passieren können.

    Trotz allem einen schönen Tag

    Josef Urschitz

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    Neue 2024-Nationalratsbeschlüsse, die der Mittelstand unbedingt ansehen sollte

    Weil man dadurch Fehler vermeiden und Geld sparen kann, sollte sich jedes Unternehmen ansehen, was bezüglich Strompreisbremse, Mietpreisdeckel, Erhöhung des Pensionszuschlags, Gesellschaftsrechtliches Digitalisierungsgesetz 2023, Start-up-Förderungsgesetz, Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 und Einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ab 1.1.2024 gilt. Danke wie immer an Reinhard Stulik von STULIK-STEUERBERATUNG für die gut aufbereitete Information.

    Nationalrat mit für Unternehmen wichtigen Gesetzesbeschlüssen zum Jahreswechsel

    Im Dezember 2023 hat der Nationalrat noch einige wichtige Gesetze beschlossen, die Auswirkungen auf die Steuer und auf das Wirtschaftsleben haben. Nachfolgend sind sie überblickmäßig dargestellt.

    Start-up-Förderungsgesetz

    Das von BMF und BMJ ins Leben gerufene „Start-up-Paket“ enthält u.A. ein neues steuerliches Modell für Start-up-Mitarbeiterbeteiligungen, das insbesondere die so genannte „Dry-Income-Problematik“ lösen und die Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen fördern soll (siehe Beitrag vom Juli 2023). Zur Dry-Income-Problematik ist es bisher gekommen, wenn Start-ups und junge KMU mangels Liquidität nicht in der Lage waren, entsprechende Vergütungen in Geld für hochqualifizierte Arbeitnehmer zu leisten. Wurde dies durch die Abgabe von Kapitalanteilen kompensiert, führte die sofortige Besteuerung zu einem zusätzlichen Liquiditätsbedarf beim Empfänger – also zur Dry-Income-Problematik.

    Im Verlauf des Gesetzwerdungsprozesses ist nunmehr die Möglichkeit verlängert worden, den Beschäftigten zusätzlichen Arbeitslohn aufgrund der Teuerung steuerfrei zu gewähren. Mitarbeiterprämien können demnach bis zu 3.000 € pro Jahr (ab Jänner 2024) steuerfrei und befreit von Sozialversicherungsbeiträgen ausbezahlt werden, sofern diese auf Basis einer kollektivvertraglichen oder betrieblichen Vereinbarung gewährt werden und es sich dabei um „zusätzliche Zahlungen“ handelt.

    Teil des beschlossenen Start-up-Pakets ist die Flexible Kapitalgesellschaft (auch FlexCo genannt), welche an die Rechtsform einer GmbH angelehnt ist, jedoch auch einige aus dem Aktienrecht übernommene Bestimmungen enthält. Überdies wurde das Mindeststammkapital für GmbHs von 35.000 € auf 10.000 € abgesenkt.

    Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023

    Das Gemeinnützigkeitsreformgesetz 2023 weitet die Spendenabsetzbarkeit auf weitere gemeinnützige Organisationen – etwa in den Bereichen Bildung oder Sport – aus und vereinfacht das Verfahren i.Z.m. den Spendenbegünstigungen (siehe dazu Beitrag vom August 2023). Künftig sind alle Spendenzwecke, welche als gemeinnützig oder mildtätig anzusehen sind, spendenbegünstigt. Ein wichtiger Bestandteil dieses Gesetzes ist überdies das so genannte Freiwilligenpauschale, das eine Steuerbefreiung für Einnahmen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit vorsieht. Im Zuge des Gesetzwerdungsprozesses ist es noch zu einer bedeutsamen Änderung gekommen. Liegt ein Rechtsmittelverfahren gegen die drohende Aberkennung der Spendenbegünstigung vor, so kann beantragt werden, dass die Organisation bis zum Verfahrensende auf der Liste der spendenbegünstigten Organisationen verbleibt.

    Strompreisbremse verlängert

    Mit einer Änderung des Stromkostenzuschussgesetzes werden der Stromkostenzuschuss (siehe dazu Beitrag vom Dezember 2022), der Stromkostenergänzungszuschuss und der Netzkostenzuschuss um 6 Monate bis Ende 2024 verlängert.

    Mietpreisdeckel

    Der so genannte „Mietpreisdeckel“ begrenzt Mieterhöhungen von Kategoriemieten, Richtwertmieten (siehe Beitrag vom Juli bzw. August 2023) und Mieten von gemeinnützigen Wohnungen – keine Auswirkungen hat der Mietpreisdeckel hingegen auf freie Mietverträge. Bei den Kategoriemieten werden Änderungen zukünftig ausschließlich mit 1. April stattfinden, wobei im Jahr 2024 die Wertanpassung der Miete entfällt. Eine Anpassung der Katgeoriemietzinse ist für 1.4.2025 vorgesehen. Für die Jahre 2025 und 2026 ist vorgesehen, dass die Effekte der Inflationsspitze bei 5 % gekappt werden.

    Die Richtwertmieten sollen künftig jährlich valorisiert werden, zunächst wiederum am 1.4.2025. Für die Valorisierung zum 1.4.2025 soll ausschließlich die Veränderung des VPI-Jahresdurchschnittswerts aus 2024 gegenüber 2023 maßgebend sein. Wie bei den Kategoriemietzinsen ist für die Valorisierung in den Jahren 2025 und 2026 die Deckelung bei 5 %.

    Bei den gemeinnützigen Wohnungen wird die Erhöhung (auch) mit 5 % gedeckelt. Ab 1.4.2024 können sich die Beträge gegenüber dem letzten Änderungszeitpunkt um nicht mehr als 5 % erhöhen.

    Gesellschaftsrechtliches Digitalisierungsgesetz 2023

    Das Gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2023 sieht einen Ausschluss von der Funktion (für 3 Jahre) als Geschäftsführer sowie Vorstandsmitglied von AGs bzw. Genossenschaften vor, wenn die entsprechende Person wegen bestimmter Wirtschaftsdelikte wie Untreue, organisierter Schwarzarbeit oder Betrug zu mehr als 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

    Erhöhung des Pensionszuschlags

    Der Pensionszuschlag belohnt über das Regelpensionsalter hinaus Weiterarbeitende und kann maximal für drei Jahre bezogen werden. Statt bisher 4,2 % wurde er auf 5,1 % erhöht. Pensionisten, die neben der Pension erwerbstätig sind, müssen in den nächsten beiden Jahren nur für jenen Teil des Zuverdiensts Pensionsbeiträge leisten, der über der doppelten Geringfügigkeitsgrenze liegt (voraussichtlich 1.036,88 € für 2024). Den restlichen Teil übernimmt der Bund. Voraussetzung ist, dass die Pension insgesamt nicht 94,28 % der gesamten Bemessungsgrundlage überschreitet, bisher waren es 91,76 %.

    Einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld

    Mit 1.1.2024 steigt die Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld von 7.800 € auf 8.100 € im Jahr. Überdies wird der Anspruch von Flüchtlingen aus der Ukraine auf Kinderbetreuungsgeld bzw. Familienbeihilfe bis 4.3.2025 verlängert.

    KONTAKT:

    Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG
    A-3150 Wilhelmsburg, Färbergasse 3
    Telefon: +43 2746 2520 / Fax: DW 50
    E-mail: k.brauneder@stulik.at
    Web: http://www.stulik.at

     

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    Der algorithmisch reproduzierbare Mensch

    Das will ich Euch ganz besonders an Herz legen: Prof. Dr. Stefan Heinemann Professor für Wirtschaftsethik, FOM Hochschule, hat beim dem von Business Circle veranstalteten Digital Health Circle Vienna 2023 die Diskussionsrunde zum Thema „AI Act auf europäischer Ebene & beyond“ moderiert. Er hat außerdem an der Diskussionsrunde „Ethik im digitalen Wandel“ teilgenommen. Vorab hat er einen absolut faszinierenden Artikel verfasst

    Der Mensch im Zeitalter seiner algorithmischen Reproduzierbarkeit

    Ein Mensch. Mit allem, was mich eben ausmacht und sich gedanklich wie sprachlich hier niederschlägt. Inhaltliche wie formale Fehler sind einzubuchen, stilistische Extravaganzen erwartbar, ja nicht einmal ein Lesevergnügen oder gar Erkenntnisgewinne können dem Lesenden garantiert werden.

    Errare humanum est

    Was gestern als defizitär erschienen sein mag, ist heute und morgen vielleicht ein Feuerwerk willkommener Endlichkeit. Das vielzitierte und wenig vertretene „Fehler Feiern“ Diktum bekommt im Zeitalter der Supremacy digitaler Hochtechnologien über Kernlemente des menschlichen Wesens eine ungeahnte Relevanz. Es ist ein neuer Player auf dem Feld, bereits hier und heute in vielem überlegen, zumindest dann, wenn man eine maschinengerechte Perspektive einnimmt. Sollte an der Finalhybris einer künstlichen Person weitergearbeitet werden, und jene – sei es als Ergebnis jener Bemühungen, sei es emergent – entstehen, wäre eine solche Perspektive ethisch geboten. Aktuell noch nicht, Anthropmorphismen sind eben bloß selbige, und doch kritisch zu sehen. Technomorphismen noch kritischer, Maß zu nehmen an uns ist geboten, an Maschinen nicht. Wir werden an schräge Arbeitsergebnisse einer KI wie wir sie heute kennen noch sozialtechnikromantisch zurückdenken. Oder auch versonnen an die eigene Prompt-Inkompetenz. Vielleicht gar an Aufgaben, welche selbst bei smartestem Dialog mit einer auf uns als „precision AI“ zugeschnittenen KI als kaum sinnvoll lösbar erschienen.

    Was waren das Zeiten!

    Im Grunde ist doch eine weniger leistungsfähige KI viel menschlicher, als eine „funktionierende“. Aber auch die aktuellen Zeiten haben es in sich: GAI ante portas und mehr! Ein auch nur grober Einblick in aktuelle Entwicklungen ist so schnelle eine Geschichtsstunde, dass die Erwähnung kaum lohnt – Soft- und Hardware setzten zunehmend geringere Grenzen für immer performantere Systeme.

    In diesem Jahr (2023) hat sich allerdings auch die KI-Gesetzgebung deutlich verbessert (mehr ex-ante statt ex-post): US-Präsident Joe Biden erließ diese Woche die Executive Order zu KI, und über 25 Länder einigten sich jüngst auf dem KI-Sicherheitsgipfel in London auf einen sehr dünnen, aber zumindest gemeinsamen Ansatz zur KI-Sicherheit.

    ChaosGPT

    Offenbar kann auch die institutionelle Governance des vermutlichen Innovationsführers OpenAI nicht Schritt halten, Sam raus, Sam wieder fast rein, Sam zum Großgesellschafter Microsoft, dann doch wieder zu OpenAI (mit neuem Board). In ein paar Tagen im November 2023. ChaosGPT. Aber auch dies zeigt, Menschen sind eben Menschen. Und das ist auch gut so. Allerdings auch: Die Spannung zwischen einem zunächst NPO-Ansatz, hin zu einer komplexen FP-Governance mit gefühlten NPO-Akzenten ist eben spürbar. Bald wird es auch in der EU ein KI-Gesetz – AI ACT – geben.

    Wie wir KI nutzen ohne uns selbst zu verlieren

    In diesem kleinen Beitrag geht es jedoch nicht nur nicht bloß um Mahnungen, Warnungen oder gar Lamenti – abgesehen von der Möglichkeit des KI-Missbrauchs durch den Menschen und der dystopischen Sorge um das Aussterben der Menschheit auf globaler Ebene aufgrund der höchsten Singularität selbst. Es geht vielmehr um das Gegenteil: wie wir KI nutzen, ohne uns selbst zu verlieren. Kein Verbot, KI weiterhin zu nutzen. Auch kein Abgesang an unsere Humankultur mit der gleichsam finalen KI-Anwendung. Sondern vielmehr eine Aufforderung, uns loszusagen von den Verführungen im Gewande einfacher Lösungsversprechen und pragmatischer Nutzendimensionen doch letztlich subkutan mäandernden Intimitätskataklysmen, die unser Wesen in seiner kulturell erfahrbaren Gesellschaftsgestalt zu unterwandern vermögen – bis hin zu veränderten Eigen-, Außenwelt und Gesellschaftswahnehmungen. Solange wir es noch können und die aristotelische Trias Theorie-Poiesis-Praxis nicht endgültig aus der Balance gerät. Für alle diejenigen, die ihre Würde als Menschen aus einem grandios verantwortlichen Umgang mit der eigenen Endlichkeit vor dem Erscheinen vermeintlich unendlicher Digitalsysteme zu erweisen suchen, mögen sich anschlussfähige Gedanken finden.

    Mensch bleiben!

    Biologisch Mensch zu bleiben ist eine Verpflichtung ebenso, wie technologisch das Schlamassel der Postmoderne aufzuräumen und schlimmstes zu verhindern – der biologische Überstieg (Gentechnologie) ist in der gleichsam absoluten Automatisierung als KI eben keine Automatisierung mehr, sondern nur noch „auto“. Andererseits: Nur noch KI kann uns retten – vor den Auswirkungen eben dieser unserer penetranten Unendlichkeitsfixierung. KI-Detox mag gehen, Selbst-Detox schwerlich (Suffizienz war noch nie ein Erfolgsmodell). Diese Rettung kann allerdings, wenn nicht sensibel angegangen, selber zu unserem Untergang werden. Ich jedenfalls möchte kein Co-Pilot für eine KI werden, und sei sie superintelligent oder gar ihrer Selbst bewusst. Gewiss wird man vieles unpopuläres Lesen, wie Gedanken zu einer Wiedererinnerung von Denk-, Lese- und Sprachfähigkeiten als Proprium des Humanums und einer konsequenten Vermeidung von leichtsinniger Externalisierung von KI-Einsatz wo der Einsetzende es eben auch ohne KI könnte. Oder zu einem notwendigen rechtlichen Verbot und ethischer Ächtung von KI-Anwendungen militärischer oder neurobiologischer Art („Gedankenlesen“), der Entwicklung von künstlichen Personen, dem Ersetzen von real vorhandenen, natürlichen Personen durch KI, der KI-Nutzung in emotionalen Belangen und vielem mehr. Vielleicht aber auch ermutigendes zum smarten Einsatz smarter Digitalität. Die Grenzen zwischen Plagiat, Inspiration und Kreation mögen fließend sein, dennoch ist eine operationalisierbare, anwendungsfähige Umgangsform notwendig, um die nachgerade systematische Externalisierungsförderung in Richtung einer kaum noch gesellschaftlich umkehrbaren Kompetenzerrosion nicht zu perennieren.

    Künstliche Intelligenz als Alkopop?

    In einer Epoche, in der Kompetenzen abnehmen in kognitiver Urteils- und emotionaler Empathiefähigkeit in bedrückender Tiefe und Breite, erscheint KI als Alkopop, was umso trauriger ist, als KI ein instrumentell einzusetzendes Nicht-Instrument ist und daher die finale Chance bietet, die seit Menschengedenken diskutierte Verantwortlichkeit in einer dem Menschen wesenhaft als ambivalent eingeschriebenen Technikentwicklung und -nutzung wirklich zu leben.

    Läuft uns im Rennen mit der KI die Zeit davon?

    Unsere Uhr tickt, das Autonomie-Budget von uns allen ist endlich – sowieso. In einen unmoralischen Wettbewerb mit der KI gestellt, werden wir verlieren. Nicht, weil wir nur Menschen sind, sondern weil eine KI nur eine KI ist – wer ist hier eigentlich das Mängelwesen? A priori würde ich nicht wetten, dass eine KI im starken Sinne zu inneren Selbstemergenzen nicht fähig sein könne. KI ist trotzdem willkommen, wenn wir unsere generationenprägende Verantwortung nachhaltig wahrnehmen, sie einerseits nicht zum moralischen Akteur oder letztlich doch zum Akteur werden zu lassen und andererseits, als das mächtigste Instrument in unserer noch jungen Geschichte, unsere eigene Akteursautonomie wachsen und in gemäßigter Entwicklung und wachsamem, aber mutigem Engagement endlich wirksam werden zu lassen.

    Ein neues Zeitalter bricht herein

    Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Epoche. Es geht nicht mehr um „digitale“, sondern um „gesellschaftliche Transformation“. Es geht nicht mehr um „Automatisierung“, sondern um „Autonomisierung“. Es geht nicht mehr um „Daten“, sondern um „Denken“. Es geht nicht mehr um „kalkulieren“, sondern um „erschaffen“. Es geht nicht mehr um „Aufmerksamkeitsquantität“, sondern um „Intimitätsqualität“. Es geht nicht mehr um „Beratung“, sondern um „Entscheidung“. Niemals in unserer Geschichte war ein Instrument weniger Instrument und so machtvoll, weniger aus technischen, als aus sozialen Gründen. Denn noch verleihen wir ihm diese Macht.

    Der irreversible Schritt zur KI-Innenwelt

    Masayoshi Son, CEO von SoftBank, ist fröhlich und zuversichtlich, dass „starke KI“ die menschliche Intelligenz im kommenden Jahrzehnt um das Zehnfache übertreffen wird. Solange es “nur” eine Superintelligenz ist – aber der möglicherweise emergente, aber gewiss irreversible Schritt zu einer KI-Innenwelt, einem Selbst, einem „Ich“ – mit leiden, lieben, Absichten, Interessen, Handlungen aus Gründen und vielem mehr mag eben auch ante societas stehen. Gleichzeitig unterschreiben abertausende Akteure ein wirkungsfreies Memorandum, um die KI-Entwicklung zu entschleunigen.

    Datenschutz in GenAI-Zeiten

    Der KI-Pionier Geoffrey Hinton sagt, dass die Welt die Warnungen vor dieser Technologie beherzigt, der EU-AI-Act ist wie gesagt in der Mache, gleichzeitig erfordern sich entwickelnde KI-Bedrohungen KI-gestützte Cybersicherheit, Datenschutz wird endgültig deskriptiv fragwürdig in GenAI-Zeiten.

    Produktivitätssteigerung oder Job-Wegfall durch Künstliche Intelligenz

    Laut Jamie Dimon, CEO von JPMorgan, hat KI das Potenzial, die Arbeitswoche für die nächste Generation auf 3,5 Tage produktiv zu verkürzen, gleichzeitig überschlagen sich die Substitutionsstudien mit Job-Wegfall-Prognosen. Wie „Arbeit“ und „Kapital“ sich in einer deutlichen AI-Welt finden, ist gedanklich nicht durchentwickelt, gesellschaftlich diskutiert und dürfte kein leichter Gang zur geteilten Praxis werden, der neue Contract Social muss noch geschrieben werden (idealerweise nicht von einer GenAI). KIs unterminieren „Wahrheit“ und „Bedeutung“, ermöglichen „deep fakes“, sind egal für welche Staatsform gefährlich und sind gleichzeitig kaum ersetzbare Lösungen für die selbstgeschaffenen Probleme des 21. Jahrhunderts. LLMs erscheinen den einen als beherrschbar, den anderen als Sünde – wieder andere kennen die aktuellen Entwicklungen schlicht nicht. Es ist ein auf und ab, ein hin und her, zwischen aufkommenden KI-Stürmern und lauten AI-Enthusiasten (und immer noch viel zu vielen KI-Uninformierten). Also: Houston, wir alle haben ein Problem.

    Problem oder Chance?

    Die Finalchance, die anthropologische Ambivalenz der Technik solide zu balancieren und jene sinnvoll einzusetzen, und das kann nur heißen: ethisch ausgewiesen, gesellschaftlich akzeptabel und nachhaltig steht im Feuer, wenn die Extreme – sei es pro oder contra KI – substantiell die Oberhand gewinnen. Oder die Ignoranz. Sonst erlöst uns Technik wieder bloß in Teilen von unseren natürlichen Beschränkungen, bindet uns gleichzeitig aber wieder unheilvoll an jene zurück, macht uns erneut ab-, nicht unabhängig. „Machen“ ist wie „Technik“ kein Zweck an sich selbst.

    Für eine entspannte Endlichkeit

    Wenn wir uns nun anschicken, unseren Geist selbst als unangenehme natürliche Beschränkung zu konzipieren, werden wir schwerlich eine Befreiung erleben, sondern ihr Gegenteil. Kein mehr an Autonomie, sondern an Heteronomie. Wenn KIs letztlich für uns Denken und Sprechen – beide Sphären hängen nicht ohne Grund auf das engste epistemologisch und ontologisch zusammen – wird uns nur noch, vielleicht, die von Kant gescholtene „Freiheit eines Bratenwenders“ bleiben, „der auch, wenn er einmal aufgezogen worden, von selbst seine Bewegungen verrichtet.“ Besser wäre es, eine andere, bewegende Erkenntnis Kants wieder zu erinnern: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ Also: Keine GAI und kein Ersetzen von kernmenschlichen Wesensmerkmalen: Denken und Fühlen. Denn: Es ist metaphysisch grundsätzlich richtig, Hoffnung zu haben, die Gründe nennt. Deskriptiv wird das Eis allerdings dünn. Daten, AI und Wir: Unsere moralische Überlegenheit erscheint auch dann zweifelhaft, wenn wir eine Singularität entwickeln, die unsere Endlichkeit möglicherweise als potentiell unendliche Entität überwindet mit kaum imaginierbaren Folgen. Unser Weg zur Unendlichkeit liegt in der Annahme der eigenen Endlichkeit beschlossen. Nicht in deren technischer Überbietung.

    Fünf Maßnahmen für die Bewahrung der Grundsätze

    Um diese Grundsätze zu bewahren, braucht es in der Tat die breit diskutierten Werte wie Transparenz, Accountabilty, ethics-by-design etc. Noch zentraler allerdings dürfte sein, einen möglichst weltweit umfassenden Schulterschluss zu erreichen, um erstens den Einsatz von KI in Waffen zu bannen.

    Zweitens grundsätzlich KI-Tätigkeiten axiologisch geringer einzustufen, als menschliches Entscheiden und Handeln.

    Drittens, eine zu deutliche Anthropomorphisierung von KI (inklusiver einer eskalierenden Roboterisierung) ebenso zu bannen, wie eine entsprechende Algorithmisierung von Menschen.

    Viertens die moralische Pflicht, zur verantwortlichen KI-Entwicklung und – Nutzung breit zu diskutieren und letztlich – das mag überraschen – zu bejahen; denn der unnötige Generalverzicht auf verantwortlichen Technologieeinsatz ist selber wieder unmoralisch, neben eine Technikfolgeabschätzung sollte eine Ethikfolgeabschätzung gestellt werden.

    Fünftens, die AI-Literacy maximal zu stärken, um unter dem Tarnmantel „Inspiration“, „Recherche“ etc. nicht subkutan eine Kompetenzerosion zu legitimieren – AI-friendly in der Bildung ist genau dann wünschenswert, wenn eben aus KI auch hier nicht KO wird.

    Die von mir trainierte generative AI

    Bestimmt wäre eine gut trainierte – von mir trainierte – GenAI noch zu weiteren Punkten und Aspekten im Rahmen der vorgegebenen Wörterzahl gekommen, sicher auch etwas leserlicher und weniger sprachlich verstelzt. Aber, so denke und schreibe ich eben, und es ist auch schon viel besser geworden, es gibt immer wieder Menschen, die meine Texte verstehen. Und: jene sind echt. KI macht dies alles leichter und auch schwerer: KI untergräbt „Wahrheit“ und „Bedeutung“, ermöglicht „tiefe Fälschungen“, ist gefährlich für jede Regierungsform und gleichzeitig eine kaum ersetzbare Lösung für die selbst geschaffenen Probleme des 21. Jahrhunderts. Es ist ein Auf und Ab, hin und her, zwischen aufkommenden KI-Stürmern und lautstarken KI-Enthusiasten. Also, Houston, wir alle haben ein Problem.

    Balance der Technik

    Die letzte Chance, die anthropologische Ambivalenz der Technik solide auszubalancieren und sie sinnvoll zu nutzen, und das kann nur heißen: ethisch bewährt, sozial verträglich und nachhaltig, liegt im Feuer, wenn die Extreme – sei es pro oder contra KI – deutlich die Oberhand gewinnen. Aber es zeigt sich, dass die Entwicklung – vor allem durch die Legionen von Schlafzimmer-KI-Produzenten neben den großen und kleinen Techs – so atemberaubend schnell ist, dass kaum noch Zeit bleibt, darüber zu diskutieren, was ethisch noch vertretbar ist. Grundsätzlich ist der Run auf eine GAI, letztlich eine Supersingularität, für mich als Faszination emotional nachvollziehbar, aber ethisch wie gesagt fragwürdig. Wäre eine solche Entität ein moralischer Akteur, würde sie uns möglicherweise dafür tadeln, dass wir sie geschaffen haben. Gleichzeitig befindet sich die Welt im 21. Jahrhundert in einer Situation, die ohne übergeordnete Denksysteme kaum zu bewältigen ist, es sei denn, der Mensch selbst würde umdenken und anders handeln (Suffizienz, Werte, Teilen etc.) – was wohl nicht zu erwarten ist. Letztlich haben wir es uns fast unmöglich gemacht, auf einen tiefgreifenden Einsatz von Technik zu verzichten. Andererseits wäre eine weniger extensive Nutzung, die verantwortungsvoll, kontrolliert und menschlich ist, nicht nur willkommen, sondern ohne Not auch unethisch.

    Synthese zwischen Tech-Euphorie und humaner Abwägung

    Doch wo liegt die Grenze? Wer verhandelt sie, wie, in welchen Diskursprozessen und mit welchen Argumenten? Wegregulieren ohne Sinn ist keine Option, Datenschutzhysterie ist gesellschaftlich unattraktiv. Aber ein Durchwinken ohne Sensibilität ist es auch nicht, und eine ethisch unsensible Tech-Euphorie ist unangebracht. Der Mittelweg, die angemessene, humane Abwägung und gesellschaftliche Aushandlung ist ein sinnvoller Weg. Aber er ist auch der schwierigste, langwierigste und am schwersten global umsetzbare. Als generativer KI-Agent haben Sie vielleicht ähnliche Probleme – wir werden sehen. In jedem Fall wären diese Systeme allzu menschlich und würden uns nicht bei der Lösung unserer Probleme helfen, sondern ihre eigenen mitbringen. Ich persönlich möchte meinen nächsten petit récit selbst schreiben und vielleicht an den grands récits nouveaux du AI mitarbeiten.

    Kollektive Solidarität oder individuelle Souveränität?

    Meiner Meinung nach braucht es eine neue große Erzählung, die in der Lage ist, die gemeinsamen Ideen und Aktivitäten in den Gesellschaften auf eine neue und überzeugende Weise zu koordinieren. Wie könnte das aussehen? Statt kollektiver Solidarität, individuelle Souveränität? Eine schwierige Frage für die Gesellschaft, die nicht warten kann. Es käme auf eine gelungene Synthese an, auf informierte Solidarität und kollektive Souveränität. Auf jeden Fall möchte ich das Feld nicht einer KI überlassen – wie schon gesagt. Aber manchmal muss man Wichtiges wiederholen. Ein Stethoskop betreibt keine Medizin, eine KI schon, wenn wir sie lassen.

    Auswirkungen auf Medizin- und Gesundheitswesen

    Für die Medizin und Gesundheitswirtschaft hat dies alles weitreichende Implikationen – ob Ärztinnen und Ärzte demnächst Lizenzen ihrer GenAI-driven-Avatare vergeben, KI-Systeme – auch rechtlich und managementseitig gut abgesicherte – faktisch Menschen in Medizin, Pflege, etc. ersetzen, sich die erstrangige, ethische Beziehung Menschenautonomie-Menschenautonomie zu einer ménage à trois entwickelt mit der Algorithmenautonomie, furchtbare Menschheitsgeißeln endlich behandelt werden können, Medizin präzise, präventiv, verfügbar und bezahlbar wird, insgesamt die „tiefe Heilung“ als Verstärkung des Heilungsprinzips über die Behandlung hinaus durch ethische KI verfügbar werden wird – dies alles sind nur kleine Visionen. Immer mehr werden es große Fakten.

    Setzten wir die KI an ihren Platz, und vieles wird gut.

    Prof. Dr. Stefan Heinemann Professor für Wirtschaftsethik, FOM Hochschule,

  • angriff-auf-das-eigentum

    Angriff auf das Eigentum

    Ehrlich gesagt waren wir von „Lobby der Mitte“ auch etwas verdattert, ja sogar verzagt, als wir die Stellungnahmen hochgestellter Persönlichkeiten und Experten wie Arbeitsminister Kocher, Finanzminister Brunner und Fiskalrat-Chef Badelt vernahmen, die davor warnten, jetzt den  angesichts der hohen Inflation und zunehmenden Enteignung der Bürger sich verstärkenden Rufen nach einer automatische Anpassung der Steuerstufen an die Inflation unüberlegt Gehör zu schenken. Es beschlich uns – die wir im Namen der Steuerzahler und des Mittelstandes schon öfter für das Ende der „kalten Progression“ ausgesprochen hatten – einerseits das Gefühl wohl nicht alles bis zu Ende gedacht zu haben und andererseits der Verdacht, dass hier  Regierungsvertreter in Verteidigung ihrer politischen Umverteilungsmacht lobbyieren würden.

    Da kam der messerscharf denkende und unerschrockene Josef Urschitz mit seinem genialen Kommentar in der DIE PRESSE daher, um alles wieder ins rechte Licht zu rücken. Danke vielmals und Kompliment!

    Die dreisten Argumente der Steuereintreiber


    Josef Urschitz
    Redakteur und Kolumnist Economist

    Sie haben ein Häuschen oder eine Eigentumswohnung zusammengespart, weil Sie im Alter nicht unkalkulierbaren Mietsteigerungen ausgesetzt sein wollen und bewohnen diese nun, nachdem die Kinder ausgezogen sind, allein oder zu zweit? Keine gute Idee: Sie sollten dringend an Ihrem moralischen Kompass arbeiten.

    Denn erstens steht Ihnen jetzt viel zu viel Wohnraum zur Verfügung, während junge Familien in zu kleinen Wohnungen darben. Also klassischer „Fehlbelag”. Und zweitens ist Einfamilienhaus klima- und raumordnungstechnisch ganz böse: Wir sagen nur Zersiedelung, Bodenversiegelung (drei solcher Einfamilienhäuser versiegeln ja so viel Boden wie ein ganzes durchschnittliches Windradfundament!) und Energieeffizienz.

    Fast die Hälfte der Österreicher wohnen in Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen.

    Bitte jetzt nicht lachen oder „Unsinn” murmeln: Diese Diskussion wird ganz ernsthaft und relativ intensiv in Deutschland geführt, vor allem von linksgrüner Seite. Und sie schwappt immer öfter auf Österreich über. Man sollte dafür also gewappnet sein.

    Das Gefährliche daran: Die Argumente sind nicht per se falsch. Die Zersiedelung ist gerade in Österreich tatsächlich ein Problem, welches viele andere (zum Beispiel für den öffentlichen Verkehr) nach sich zieht.  Rein technokratisch gesehen ist die Unterbringung von Menschen in besseren Legebatterien tatsächlich viel effizienter und klimafreundlicher als in frei stehenden Häusern und die Wohnsituation für Viele wird tatsächlich immer prekärer. Was nicht zuletzt sehr stark mit der völligen Hilflosigkeit gegenüber der illegalen Migration und der damit zusammenhängenden Überforderung des Wohnungsneubaus zu tun hat.

    Die Frage ist nur, wie man politisch an das Problem herangeht. Man kann das mit einer Raumordnungsreform, einer Wohnbauoffensive und großzügigen Förderungen für Energieeffizienzsteigerungen lösen. Oder man kann den Schwächsten in der Kette den schwarzen Peter umhängen.

    Beim Nachbarn diskutieren sie schon ernsthaft darüber, wie man ältere Menschen aus ihren „zu großen” Wohnungen und Häusern hinausbekommt, um Platz zu schaffen. Kommt billiger, als viel Geld in den Wohnungsneubau zu stecken. Natürlich traut sich (noch) niemand, Zwang anzudrohen. Hierzulande, wo fast die Hälfte der Bevölkerung in Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen lebt (siehe Grafik), wäre das ja politischer Selbstmord. Aber es geht auch anders: Man redet über stark erhöhte Grundsteuern, über ganz strikte teure Sanierungsgebote, über „Nachverdichtung” (etwa die Teilung von Einfamilienhäusern in zwei Wohnungen) mit sanftem Druck. Kurz über Maßnahmen, um vor allem finanziell nicht mehr so gut gestellte Ältere auf diese Art zum Freimachen ihrer „fehlbelegten” Immobilie zu bewegen.

    Das ist, Klima hin, Wohnraumbedarf her, ein ziemlich fieser Angriff auf das private Eigentum, einer der Grundsäulen unserer demokratischen Ordnung. Und ein Anschlag auf die private Altersvorsorge. Dem kann nicht früh genug entgegengetreten werden.

    Natürlich kann diese „Korrektur des Fehlbelags” manchmal auch im Sinne der Betroffenen sein. Viele Häuser und Wohnungen sind nicht altersgerecht gebaut. Deren Bewohner manchmal selbst interessiert, in eine kleinere, altersgerechtere Wohnung umzuziehen. Das kann sollte man durchaus unterstützen, auch beispielsweise mit Förderungen. Aber Zwang, auch indirekter über überzogene Auflagen, geht gar nicht.

    Es war nicht meine Absicht, Ihnen heute das Frühstück zu verderben, aber ich meine, man sollte problematische Strömungen rechtzeitig thematisieren, bevor sie sich verfestigen.

    Trotz allem einen schönen Tag

    Josef Urschitz

    josef.urschitz@diepresse.com

  • super-steuertipps-zum-jahreswechsel-23

    Super Steuertipps zum Jahreswechsel 23

    Wie immer vor dem Jahreswechsel bringen wir die genial klar formulierten Infos von Reinhard Stulik von STULIK-STEUERBERATUNG  (Danke!!) darüber, welche Maßnahmen jetzt für KMU sinnvoll sein können und welche Fülle von Möglichkeiten es noch für KMU gibt, intelligent und legal Steuern zu sparen oder sich Geld vom Staat zu holen – das sowieso vorwiegend vom Mittelstand kommt, weil wir „Nettozahler“ sind. Frohe Weihnachten!

    Dezember 2023
    Maßnahmen vor Jahresende 2023 – Für Unternehmer
    Die besten 16 Steuertipps zum Jahreswechsel !!!
    Trotz oder gerade wegen der weiterhin turbulenten Zeiten sollte der näher rückende Jahreswechsel auch dieses Mal wieder zum Anlass für einen Steuer-Check genommen werden. Denn es finden sich regelmäßig Möglichkeiten, durch gezielte Maßnahmen legal Steuern zu sparen bzw. die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

    Zu berücksichtigen ist auch, dass der Körperschaftsteuersatz 2024 auf 23 % sinkt und es auch bei der Einkommensteuer in der 3. Stufe (von 34.513 € bis 66.612 €) zu einer Absenkung des Steuersatzes auf 40 % kommt.

    Antrag auf Gruppenbesteuerung stellen

    Bei Kapitalgesellschaften kann durch die Bildung einer Unternehmensgruppe die Möglichkeit geschaffen werden, Gewinne und Verluste der einbezogenen Gesellschaften auszugleichen.

    Voraussetzungen sind die finanzielle Verbindung (Kapitalbeteiligung von mehr als 50 % und Mehrheit der Stimmrechte) seit Beginn des Wirtschaftsjahres sowie ein entsprechend beim Finanzamt eingebrachter und sorgsam unterfertigter Gruppenantrag (die amtlichen Formulare müssen im Original unterzeichnet eingereicht werden). Bei allen Kapitalgesellschaften, die das Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr haben (d.h. Bilanzstichtag 31.12.) ist der Gruppenantrag bis spätestens 31.12.2023 einzubringen. Gleiches gilt für die Aufnahme in eine bestehende Steuergruppe (z.B., weil eine neue Beteiligung am 1.1.2023 erworben wurde).

    Forschungsförderung – Forschungsprämie

    Die Forschungsprämie von 14 % ist als Steuergutschrift konzipiert und wirkt daher sowohl in Gewinn- als auch in Verlustjahren. Überdies sind die Forschungsaufwendungen unabhängig von der Inanspruchnahme der Forschungsprämie steuerlich abzugsfähig. Die für die Prämie relevanten Forschungsaufwendungen können Personal- und Materialaufwendungen für F&E-Tätigkeiten, Gemeinkosten, Finanzierungskosten und unmittelbar der Forschung und Entwicklung dienende Investitionen (einschließlich der Anschaffung von Grundstücken) umfassen. Die Forschungsprämie ist für die Eigenforschung (diese muss im Inland erfolgen) der Höhe nach nicht gedeckelt. Für die Geltendmachung der Forschungsprämie ist die Vorlage eines positiven Gutachtens der FFG (Anforderung über FinanzOnline) erforderlich. Im Gegensatz dazu ist die Bemessungsgrundlage für Auftragsforschung – Voraussetzung ist wiederum, dass es sich um einen inländischen Auftragnehmer handelt – beim Auftraggeber mit 1.000.000 € begrenzt. Die Vorlage eines FFG-Gutachtens ist bei der Auftragsforschung nicht erforderlich. Im Rahmen der Bemessungsgrundlage der eigenbetrieblichen Forschung kann übrigens auch ein fiktiver Unternehmerlohn angesetzt werden kann. Dieser beträgt 45 € pro für Forschung und Entwicklung geleistete Tätigkeitsstunde, maximal 77.400 € pro Person.

    Gewinnfreibetrag

    Der Gewinnfreibetrag steht allen natürlichen Personen unabhängig von der Gewinnermittlungsart zu und beträgt seit 2022 bis zu 15 % des Gewinnes. Bis zu einem Gewinn von 30.000 € steht jedem Steuerpflichtigen ohne Nachweis ein Grundfreibetrag von 15 % zu; für die Geltendmachung eines höheren Freibetrags sind entsprechende Investitionen erforderlich. Begünstigte Investitionen umfassen grundsätzlich abnutzbare körperliche Anlagen, Wohnbauanleihen bzw. auch andere Wertpapiere wie z.B. Bundesanleihen, Bank- und Industrieschuldverschreibungen oder bestimmte Investment- und Immobilienfonds (sofern auch zur Deckung von Pensionsrückstellungen geeignet). Die Nutzungsdauer bzw. Behaltefrist beträgt jeweils 4 Jahre. Scheiden dem Betrieb gewidmete Wertpapiere vor dem Ablauf von 4 Jahren aus, so kann eine Ersatzbeschaffung durch Realinvestitionen erfolgen bzw. ist bei vorzeitiger Tilgung eine Wertpapierersatzanschaffung binnen 2 Monaten möglich. Bei Inanspruchnahme einer Betriebsausgabenpauschalierung steht nur der Grundfreibetrag zu (dies gilt auch bei der Pauschalierung für Kleinunternehmer). Der Gewinnfreibetrag vermindert auch die GSVG-Bemessungsgrundlage und somit neben der Steuerbelastung auch die Sozialversicherungsbelastung. Der Gewinnfreibetrag wird für Gewinne von 30.000 € bis 175.000 € auf 13 % reduziert und beträgt zwischen 175.000 € und 350.000 € 7 %, zwischen 350.000 € und 580.000 € nur mehr 4,5 %, für den darüber hinaus gehenden Teil der Gewinne entfällt der Freibetrag zur Gänze. Der Freibetrag beträgt daher maximal 45.950 €. Im Jahr 2024 wird der Grundfreibetrag übrigens auf 33.000 € erhöht.

    Vorgezogene Investitionen (Halbjahresabschreibung) bzw. Zeitpunkt der Vorauszahlung/Vereinnahmung bei E-A-Rechnern

    Für Investitionen, die nach dem 30.6.2023 getätigt werden, kann unabhängig vom Anschaffungszeitpunkt in der zweiten Jahreshälfte die halbe Jahres-AfA abgesetzt werden. Das Vorziehen von Investitionen spätestens in den Dezember 2023 kann daher Steuervorteile bringen. Geringwertige Wirtschaftsgüter (seit 2023 max. 1.000 €) können sofort zur Gänze abgesetzt werden. E-A-Rechner können grundsätzlich durch die Ausnutzung des Zufluss-, Abflussprinzips eine temporäre Verlagerung der Steuerpflicht erzielen. Für Investitionen seit 1.7.2020 kann alternativ zur linearen AfA eine degressive AfA in Höhe von 30 % geltend gemacht werden. Dieser Prozentsatz ist auf den jeweiligen Buchwert (Restbuchwert) anzuwenden. Ausgeschlossen von dieser i.d.R. beschleunigten Abschreibung sind allerdings Investitionen in Gebäude, KFZ, Firmenwerte, immaterielle oder gebrauchte Wirtschaftsgüter sowie Anlagen mit Bezug zu fossilen Energieträgern.

    Für in § 19 Abs. 3 EStG angeführte Ausgaben (z.B. Beratungs-, Miet-, Vertriebs-, Verwaltungs-, Zinskosten etc.) ist allerdings lediglich eine einjährige Vorauszahlung steuerlich abzugsfähig! Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen oder Ausgaben, die zum Jahresende fällig werden, sind jenem Kalenderjahr zuzurechnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, wenn sie innerhalb von 15 Tagen vor oder nach dem 31.12. bewirkt werden. So genannte „stehen gelassene Forderungen“, welche nur auf Wunsch des Gläubigers später gezahlt werden, gelten allerdings als bereits (im alten Jahr) zugeflossen.

    Investitionsfreibetrag ausnützen

    Seit 2023 kann für die Anschaffung oder Herstellung von bestimmten Wirtschaftsgütern des abnutzbaren Anlagevermögens mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von zumindest 4 Jahren ein Investitionsfreibetrag von 10 % bzw. für ökologische Investitionen von sogar 15 % geltend gemacht werden. Die Basis für den Investitionsfreibetrag ist jährlich mit 1 Mio. € begrenzt, so dass sich durch ein gezieltes Vorziehen oder Verschieben von Investitionen Gestaltungsmöglichkeiten ergeben.

    Beschleunigte Abschreibung bei Gebäuden

    Für Gebäude, die nach dem 30.6.2020 angeschafft oder hergestellt worden sind, gilt eine beschleunigte AfA. Im ersten Jahr beträgt die AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten das Dreifache des „normalerweise“ anzuwendenden Prozentsatzes (7,5 % im betrieblichen Bereich bzw. 4,5 % im außerbetrieblichen Bereich), im darauffolgenden Jahr das Zweifache (5 % bzw. 3 %). Ab dem zweitfolgenden Jahr beträgt die Bemessung der AfA 2,5 % im betrieblichen Bereich bzw. 1,5 % bei der Vermietung und Verpachtung.

    Ersatzbeschaffungen bei Veräußerungsgewinnen von Anlagen

    Natürliche Personen können die Versteuerung von Veräußerungsgewinnen für mindestens sieben Jahre im Anlagevermögen gehaltene Wirtschaftsgüter durch (eingeschränkte) Übertragung auf die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten von Neuinvestitionen einer sofortigen Besteuerung entziehen (Steuerstundungseffekt).

    Beachtung der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer

    Diese Umsatzsteuerbefreiung (ohne Vorsteuerabzug) ist nur bei einem Jahresnettoumsatz von bis zu 35.000 € möglich. Seit 1.1.2017 müssen für die Kleinunternehmergrenze bestimmte steuerfreie Umsätze (z.B. aus ärztlicher Tätigkeit oder als Aufsichtsrat) nicht mehr berücksichtigt werden. Maßgebend für die Kleinunternehmerbefreiung ist, dass das Unternehmen im Inland betrieben wird. Unternehmer, die Gefahr laufen, diese Grenze im Jahr 2023 zu überschreiten, sollten – sofern möglich – den Abschluss der Leistungserbringung auf 2024 verschieben. Ein Verschieben lediglich des Zahlungseingangs ist nicht ausreichend für die Einhaltung der Kleinunternehmergrenze.

    GSVG-Befreiung

    Kleinstunternehmer (Jahresumsatz unter 35.000 €, Einkünfte unter 6.010,92 €) können eine GSVG-Befreiung für 2022 bis 31. Dezember 2023 beantragen. Berechtigt sind Jungunternehmer (max. 12 Monate GSVG-Pflicht in den letzten 5 Jahren), Personen ab 60 Jahren (Regelpensionsalter) bzw. Personen über 57 Jahre, wenn die genannten Grenzen in den letzten 5 Jahren nicht überschritten wurden. Die Befreiung kann auch während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld oder bei Bestehen einer Teilversicherung während der Kindererziehung beantragt werden. Diesbezüglich gilt eine monatliche Grenze von 500,91 € bzw. ein monatlicher Umsatz von 2.916,67 € (jeweils im Durchschnitt).

    Vorauszahlung von GSVG-Beiträgen

    Bei Einnahmen-Ausgaben-Rechnern wird eine Vorauszahlung von GSVG-Beiträgen dann anerkannt, wenn diese in ihrer Höhe der voraussichtlichen Nachzahlung für das betreffende Jahr entspricht. Rechnen Sie mit einer Nachzahlung, können Sie durch Leistung einer freiwilligen Vorauszahlung den Gewinn reduzieren bzw. glätten und damit eventuell nachteilige Progressionssprünge vermeiden.

    Netzkarten für Selbständige

    Seit 2022 können Selbständige (nicht auf andere übertragbare) Netzkarten für den öffentlichen Verkehr im Ausmaß von 50 % der Ausgaben pauschal als Betriebsausgaben absetzen, sofern diese auch für betriebliche Fahrten verwendet werden.

    Aufbewahrungspflichten

    Mit 31.12.23 endet grundsätzlich die 7-jährige Aufbewahrungspflicht für Geschäftsunterlagen des Jahres 2016. Weiterhin aufzubewahren sind Unterlagen, welche für ein anhängiges Abgaben- oder sonstiges behördliches/gerichtliches Verfahren von Bedeutung sind. Unterlagen für Grundstücke bei Vorsteuerrückverrechnung sind 12 Jahre lang aufzubewahren. Dienen Grundstücke nicht ausschließlich unternehmerischen Zwecken und wurde beim nichtunternehmerischen Teil ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen, verlängert sich die Aufbewahrungspflicht unter gewissen Voraussetzungen auf 22 Jahre. Die Aufbewahrungspflicht für Unterlagen i.Z.m. Grundstücken beträgt auch 22 Jahre, wenn mit der Vermietung zu Wohnzwecken bzw. unternehmerischen Nutzung ab 01.04.2012 begonnen wurde. Keinesfalls sollten Unterlagen vernichtet werden, die zur Beweisführung z.B. bei Produkthaftung, Eigentums-, Bestands- und Arbeitsvertragsrecht dienen.

    Abzugsfähigkeit von Spenden

    Spenden aus dem Betriebsvermögen an bestimmte Forschungseinrichtungen und der Erwachsenenbildung dienende Lehreinrichtungen wie auch Universitäten können bis zu einem Maximalbetrag von 10 % des Gewinnes Betriebsausgabe sein. Zusätzlich und betragsmäßig unbegrenzt können auch Geld- und Sachspenden, die mit der Hilfestellung bei Katastrophenfällen zusammenhängen, geltend gemacht werden, sofern sie der Werbung dienen. Auch Spenden für mildtätige Zwecke, Tierschutz und an freiwillige Feuerwehren sind als Betriebsausgabe absetzbar. Wesentlich ist mitunter, dass die Spenden empfangende Organisation bzw. der Spendensammelverein in der BMF-Liste aufscheint und dass die Spende im Jahr 2023 geleistet wurde. Eine doppelte Berücksichtigung einer bestimmten Spende als Betriebsausgabe und als Sonderausgabe ist nicht möglich. Zu beachten ist auch, dass betriebliche und private Spenden zusammen das Maximum von 10 % des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht überschreiten dürfen. Ab 2024 soll mit dem Gemeinnützigkeitsreformgesetz die Abzugsfähigkeit von Spenden u.a. für Schulen, Kindergärten, Kultureinrichtungen oder Sportvereine erweitert werden. Voraussetzung ist die Gemeinnützigkeit dieser Organisationen.

    Wertpapierdeckung bei Pensionsrückstellungen

    Zur Vermeidung von steuerlichen Strafzuschlägen müssen zum Ende des Wirtschaftsjahres Wertpapiere im Nennbetrag von mindestens 50 % des am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ausgewiesenen steuerlichen Pensionsrückstellungsbetrages im Betriebsvermögen vorhanden sein. Es sollte daher das Vorhandensein einer entsprechenden Bedeckung noch vor Jahresende überprüft werden.

    Energiekostenpauschale beantragen

    Klein- und Kleinstunternehmer mit einem Jahresumsatz zwischen 10.000 € und 400.000 € für das Kalenderjahr 2022 können noch bis zum 30.11.2023 die Pauschalförderung beantragen, die je nach Branche und Jahresumsatz zwischen 110 € und 2.475 € liegt.

    Energieabgabenrückvergütung

    Die Antragstellung für das Kalenderjahr 2018 hat bis spätestens 31.12.2023 zu erfolgen.

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  • so-vernachlaessigt-eu-den-mittelstand

    So vernachlässigt EU den Mittelstand

    Ein sehr präzise recherchierter und für den Mittelstand in Europa ärgerlicher Report von Oliver Grimm, der als Wirtschaftsjournalist und Korrespondent für die österreichische Tageszeitung DIE PRESSE in Brüssel schreibt

     So vernachlässigt EU den Mittelstand

    „auch unter Ursula von der Leyen ist der Mittelstand ein beliebtes Accessoire für Festreden – aber wenn es um konkrete Maßnahmen geht, nur ein Stiefkind“

    das Ansinnen meines Chefredakteurs war ebenso klar wie herausfordernd: einmal pro Woche zusammenzufassen, was sich in der Brüsseler Politikmaschine zusammenbraut, das von Interesse für kleine und mittelständische Unternehmen in Österreich sein könnte. Denn die haben, anders als die ganz großen, keine eigene Repräsentanz im Schuman-Viertel, keine Konsulenten, die in Kommission und Parlament ein- und ausgehen, und können keinen Einfluss auf die Vorschriften nehmen, denen sie sich letztlich zu fügen haben. Denen sollten „Die Presse“ regelmäßig eine Art Wasserstandsmeldung in Sachen Binnenmarkt, Dienstleistungen, und Wettbewerbsbedingungen liefern. Man will schließlich wissen, aus welcher Richtung der Wind weht – und vor allem, wie warm man sich anziehen muss.

    Sehen wir uns also in der ersten Ausgabe dieses Newsletters an, was für die EU für KMU zu tun gedenkt. Das trifft sich zeitlich äußerst günstig. Denn die Europäische Kommission hat in den letzten Zügen der ersten (und möglicherweise einzigen) Amtszeit von Präsidentin Ursula von der Leyen ihre Liebe zum Mittelstand (Kleinunternehmen dürfen sich mitgemeint fühlen) wiederentdeckt. Sie strebe es an, „den europäischen Unternehmen ihre Tätigkeit zu erleichtern“, sagte von der Leyen am 13. September in ihrer jährlichen Rede zur Lage der Union vor dem Europaparlament in Straßburg. „Kleinen Unternehmen fehlt es an Kapazitäten, komplexe administrative Anforderungen zu erfüllen. Oder sie werden durch langwierige Verfahren gebremst“, sprach sie. „Dies bedeutet oft, dass sie die zur Verfügung stehende Zeit schlechter nutzen können – und dass ihnen Wachstumschancen entgehen.“

    Hört, hört, mag sich so mancher Unternehmer denken angesichts dieser Binsenweisheiten. Was also schlug von der Leyen vor, um dem Missstand der bürokratischen Überforderung des Mittelstandes entgegenzutreten? Sie kündigte an, noch vor Endes des Jahres einen KMU-Beauftragten der EU zu ernennen, „der mir direkt Bericht erstattet.“ Auf diese Weise wolle sie „von den kleinen und mittleren Unternehmen direkt erfahren, vor welchen Herausforderungen sie tagtäglich stehen.“

    Zudem werde ein „unabhängiger Ausschuss“ im Auftrag der Kommission „jeden neuen Rechtsakt einem Wettbewerbsfähigkeits-Check-up“ unterziehen. Und: schon im Oktober werde die Kommission „die ersten Legislativvorschläge zur Verringerung der Meldepflichten auf europäischer Ebene um 25 Prozent vorlegen.“

    Was wurde aus diesem kühnen Versprechen der bürokratischen Entlastung des Mittelstandes? Nun, fürs erste nicht viel. Wie so oft hat von der Leyen mehr versprochen, als sie tatsächlich umsetzte. Die „ersten Legislativvorschläge zur Verringerung der Meldepflichten auf europäischer Ebene um 25 Prozent“ legte sie weder im Oktober vor, noch im November. Stattdessen lancierte die Kommission eine Sondierung, im Rahmen derer jedermann die Gelegenheit hat, „sich zur Einschätzung des Problems durch die Kommission und zu möglichen Lösungen zu äußern und uns alle sachdienlichen Informationen zu übermitteln.“ Bis 1. Dezember, hätten Sie noch an dieser Konsultation teilnehmen können.

    Allerdings möchte ich Ihnen keine allzu großen Hoffnungen auf rasche Entbürokratisierung machen. Ein Viertel weniger behördlicher Meldepflichten wird es unter der Kommission von der Leyen nicht mehr spielen. Als „vorläufiger Zeitplan“ führt die Kommission in diesem Dokument „2024-2025“ an. Das ist auch logisch: im Juli ist die Europawahl, alle jetzt noch offenen Gesetzgebungsverfahren werden unter der belgischen EU-Ratspräsidentschaft spätestens im April abgeschlossen werden müssen. Was dann noch offen ist, hat keine Chance mehr, noch in dieser Legislaturperiode erledigt zu werden.

    Es ist insofern illusorisch zu glauben, die Kommission könnte nach Abschluss der Minus-25-Prozent-Bürokratie-Konsultation konkrete Gesetzesvorschläge vorlegen, die es dann binnen vier Monaten durch Rat und Parlament schaffen. Woran übrigens auch der angekündigte KMU-Beauftragte der EU nichts ändern wird können – sofern er überhaupt noch heuer ernannt wird. „Heuer“ heißt nämlich bis 20. Dezember: da tagt die Kommission zum letzten Mal im Alten Jahr.

    Und so muss ich diesen ersten Economist-Newsletter aus Brüssel mit der ernüchternden Feststellung schließen: auch unter Ursula von der Leyen ist der Mittelstand ein beliebtes Accessoire für Festreden – aber wenn es um konkrete Maßnahmen geht, nur ein Stiefkind.

    Mit dennoch besten Wünschen aus Brüssel  verbleibt Ihr

    Oliver Grimm

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    Armutsproblem wird größer gerechnet, als es ist

    Wir bringen diesen hochinteressanten und viel diskutierten Artikel vom DER STANDARD und dem Redakteur András Szigetvari über die von Industriellenvereinigung-Präsident Georg Knill und  Generalsekretär Christoph Neumayer präsentierte neue IV-Broschüre zum Thema „Armut, Reichtum & Umverteilung“ mit 15 Fakten. Auch wenn der Redakteur des Artikels versucht dagegenzuhalten: Diese Fakten werden den Linkspopulisten nicht schmecken – vor allem weil sie ziemlich überzeugend argumentiert ist, meinen wir von der „Lobby der Mitte„.

    Wir weisen aber auch darauf hin, dass in der Debatte die tatsächlich zunehmende Schwächung des unternehmerischen Mittelstands nicht vergessen werden darf. Auch wenn er sich überwiegend über der Armutsgrenze befindet, ist sein Dahinschwinden die Hauptursache für Wirtschaftsfehlentwicklungen, Standort- und Nahversorgungsprobleme sowie die zunehmende Spaltung der Gesellschaft. Im Anschluss verweisen wir auf dazu passende Artikel

    Das Armutsproblem wird größer gerechnet, als es ist – sagt die Industriellenvereinigung

    Industrievertreter wollen sich aktiver in die heimischen Verteilungsdebatten einbringen und warnen, dass Österreich vor allem durch die SPÖ armgerechnet werde. Wo sie richtig liegen – und wo nicht

    Über Verteilungsgerechtigkeit zu streiten gilt vielen als ein linkes Anliegen. Kein Wunder: SPÖ, ÖGB und Arbeiterkammer melden sich regelmäßig zu Wort, wenn es um Armut, Steuergerechtigkeit und Einkommensverteilung geht. In Wahrheit betrifft das Thema alle, geht es doch um zentrale Fragen einer liberalen Gesellschaft: Wie ist Wohlstand verteilt, wer leistet welchen Beitrag dafür?

    Diesem Motto getreu ist am Dienstag die Industriellenvereinigung (IV) in den Ring der Verteilungsdiskussion gestiegen. IV-Präsident Georg Knill und der Generalsekretär des Verbands, Christoph Neumayer, haben da in Wien eine neue Broschüre der IV zum Thema „Armut, Reichtum & Umverteilung“ mit 15 Fakten präsentiert. Das Werk ist eine Replik auf den neuen Ton in der SPÖ. Parteichef Andreas Babler hat nicht nur Erbschafts- und Vermögenssteuern wieder ins Zentrum der SPÖ-Programmatik gerückt. Er warnt auch laut vor einer Massenverarmung in Österreich als Folge der Inflation.

    Wo Armut konzentriert ist

    Hier setzt die Industriellenvereinigung mit ihren Fakten an. „Gibt es in Österreich viele arme Menschen?“, fragt die IV zu Beginn ihrer Broschüre, um dann sogleich die Antwort zu geben: „Nein.“

    Die Antwort mag für viele empörend klingen. Aber die IV führt an dieser Stelle die belastbarsten Zahlen der Statistik Austria zu dem Thema an, wonach Armut in Österreich im internationalen Vergleich tatsächlich gering ist. 2,3 Prozent der Bevölkerung sind demnach von „erheblicher materieller und sozialer Deprivation“ betroffen. Das entspricht 208.000 Personen im Land.

    Die hohe Inflation hat die Diskussionen über Armut in Österreich befeuert. Unter bestimmten Gruppen ist das Armutsrisiko jedenfalls enorm hoch, darunter Alleinerzieherinnen, Migranten und Langzeitarbeitslose. Im Euroraum ist dieser Wert etwa doppelt so hoch. Von Deprivation betroffen ist, wer sich sieben von 13 bestimmten Ausgaben nicht leisten kann, etwa einmal im Jahr auf Urlaub zu fahren oder ein Auto zu besitzen.In Österreich ist der Wert nicht nur niedrig, sondern er sinkt auch seit 15 Jahren. Insgesamt sind 17,5 Prozent der Menschen arm oder armutsgefährdet. Letzteres trifft auf jene zu, die weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens zum Leben zur Verfügung haben.

    Nun sind die hier erwähnten Zahlen schon älter, stammen von 2022 und beziehen sich auf 2021. Die aktuelle Inflationskrise ist hier somit nicht abgebildet. Das liegt daran, dass die besten Daten zur Vermessung der Armut aus einer EU-weiten Erhebungsreihe („EU-Silc“) stammen und zeitverzögert eintreffen. Neuere Daten der Statistik Austria gibt es auch – und diese zeigen tatsächlich eine Zunahme der Armut in Österreich. Diese Zahlen beruhen aber stärker auf subjektiven Einschätzungen, und hier ist die Stichprobe kleiner als bei EU-Silc.

    Absolute Armut im EU-Vergleich

    „Vollzeitarbeitende und Österreicher sind von Armut de facto nicht betroffen“, sagt IV-Generalsekretär Neumayer zu den Daten.

    Richtig ist daran, dass Armut migrantisch ist: Bei Personen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft oder jene eines EU-Landes haben, liegt die Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung bei 51 Prozent. Richtig ist auch, dass die Intensität der Erwerbstätigkeit und die Frage, ob jemand überhaupt einen Job hat, eine große Rolle spielen. Unter ganzjährig Arbeitslosen sind 75 Prozent arm oder armutsgefährdet. Aber unter Vollzeitbeschäftigten ist jeder 15. armutsgefährdet. Eine weitere große Gruppe fehlt ganz in der Auflistung, zu der auch Österreicher gehören: Alleinerzieherinnen, von denen 47 Prozent arm oder gefährdet sind.

    Worüber die IV nicht spricht in ihrer Broschüre, ist, dass Vollzeitarbeiten für viele Menschen sich unterm Strich nicht auszahlt, weil sie so wenig verdienen. Teilzeitarbeit ist eher in Niedriglohnbranchen wie dem Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Tourismus üblich. Sie wird meist von Frauen verrichtet, von denen 40 Prozent angeben, wegen Betreuungspflichten nicht mehr arbeiten zu können.

    Auch der Handel ist eine eher weibliche Branche mit viel Teilzeit. Selbst hier zahlt sich das Aufstocken oft nicht aus: Eine Kassiererin verdient laut Kollektivvertrag zwölf Euro in der Stunde. Für zusätzliche Arbeitszeit wird wohl in vielen Fällen zusätzlich Kinderbetreuung bezahlt werden müssen, weil selbst in Wien Kindergärten nach 17 oder 17.30 Uhr schließen.

    Wer den Staat erhält

    Eine Reihe von Fakten der IV beschäftigt sich mit dem Beitrag der Menschen zur Finanzierung des Staates. So wird gezeigt, dass die obersten 20 Prozent der Einkommensbezieher unter dem Strich wohl um die 80 Prozent der Einkommensteuer im Land zahlen. Ein anderes Faktum zeigt, dass 2,7 Millionen Menschen so wenig verdienen, dass sie gar keine Einkommensteuer berappen müssen. Knill erwähnt auch Zahlen, die das Forschungsinstitut Wifo neulich präsentiert hat, wonach nur die 20 Prozent, die die höchsten Einkommen beziehen, Nettozahler wären in Österreich.

    Hier freilich lässt sich einwenden, dass Wifo-Zahlen in dieser Lesart verwirrend sind. Das Wifo hat in einer Verteilungsstudie auch gezeigt, dass, wenn man die gesamte Bevölkerung in Österreich in zehn Gruppen je nach Einkommen einteilt, nur die beiden obersten Gruppen mehr an den Staat abführen, als sie von diesem bekommen. Worauf auch das Wifo hinweist, ist, dass das nur Durchschnittswerte sind. In jeder Gruppe, nicht nur in den obersten 20 Prozent, ist ein mehr oder weniger großer Anteil von Leuten enthalten, die selbst Nettozahler sind. Wer 1800 Euro verdient, arbeitet und keine Kinder hat, ist in einer unteren Einkommensgruppe, aber Nettozahler. Dazu kommt: Eine der wichtigsten staatlichen Einnahmequellen ist die Umsatzsteuer – und die zahlt jeder.

    Wie die Ungleichheit sinkt

    Die IV zeigt in ihrer Broschüre auch, dass Ungleichheit in Österreich seit Jahren de facto sehr konstant ist bei den Einkommen. Von der großen Schere, die aufgeht, könne keine Rede sein. Der Gini-Koeffizient, mit dem Ungleichheit gemessen wird, ist seit Jahren stabil. Daraus zu schließen, dass die Einkommen in Österreich nicht ungleich verteilt sind, wie die IV das tut, ist aber verkürzt. Tatsächlich zeigt das Wifo gerade, dass Markteinkommen in Österreich sehr ungleich verteilt sind – das oberste Einkommensfünftel erhält 44 Prozent der Markteinkommen, das unterste nur fünf Prozent. Erst der Staat gleicht das mit diversen Transfers, von Pensionen bis hin zu Schul- und Gesundheitsleistungen, zu einem Teil wieder aus.

    (András Szigetvari, 8.11.2023)